The Cloverfield Paradox
Ava Hamilton versucht, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
© Netflix
Nicht minder überraschend als das plötzliche Auftauchen des „Gefundenen-Material“-Films von 2008, das J.J. Abrams zum Drehende dann doch noch mit Cloverfield betitelte, kommt nun der dritte Film der mysteriösen Reihe ans Licht. In Cloverfield, dessen Erzählweise mit Handkamera den Actionfilm einerseits revolutionierte, andererseits diesen jedoch nahezu unsehbar machte, weil das ständige Wackeln und die unruhige Hand die Zuschauenden schwindlig werden ließ, erlebten wir ein Monster, das aus dem Meer kam und eine Schneise der Verwüstung durch Manhattan zog.
Nachdem es um „Cloverfield“ ruhig wurde, weil J.J. Abrams' Produktionsfirma Bad Robot mit Star Trek, Mission: Impossible und diversen TV-Serien voll beschäftigt war, kam 2016, ebenso plötzlich, ein ganz anderer „Cloverfield“-Film in die Kinos - 10 Cloverfield Lane, der zu 90% in einem Bunker spielt, in den es eine junge Frau verschlägt, die von dessen Bewohner nach einem Autounfall dorthin „errettet“ wurde. In dem klaustrophobischen Psychothriller behauptet der ehemalige Regierungsangestellte Howard, gespielt von John Goodman, dass die Erdoberfläche nach einer tödlichen Giftgasattacke verseucht sei. Doch als die von Mary Elizabeth Winstead gespielte Michelle letztlich Howard und dem Bunker entfliehen kann, wird sie von fremdartigen Wesen überfallen.
»We are definitely not in Kentucky anymore.« - Volkov
Beide Filme lassen die Jahreszahl ihrer Handlung weg, und auch im überraschendsten PR-Phänomen der Filmgeschichte, The Cloverfield Paradox, wird keine Jahreszahl erwähnt. Als Netflix bekannt gab, den Film direkt nach dem Super Bowl zu starten, waren zunächst alle Abonnenten misstrauisch. Nee, das ist bestimmt nur der Trailer. - Nein, es war der komplette Film! Wie, nicht im Kino...?! Offenbar hat sich J.J. Abrams dazu entschlossen, den Verbreitungsweg über Netflix zu suchen, da er vermutlich einen bestimmten Zeitplan im Auge hat und nicht auf eine Kinoauswertung warten wollte. In einem Interview sagte er, dass Netflix die Anfrage gestellt hatte und er mit Kusshand zugesagt hatte, weil er mal was Neues ausprobieren wollte.
Genaueres weiß man natürlich nicht, da es, wie bei den Vorgängern auch, keine Presseinformationen zum Film gibt. Doch The Cloverfield Paradox will uns zumindest Antworten geben, woher denn die fremdartigen Wesen und Monster kommen, die uns in den vorangegangenen Filmen in Angst und Schrecken versetzt haben. Fakt Nr. 1 ist: Dieser Film spielt vor den Ereignissen der Vorgängerfilme. In einer vermutlich nicht allzu weit entfernten Zukunft sind die Energiequellen der Erde nahezu aufgebraucht. Gleich in der Eröffnungssequenz hören wir Reporterstimmen, die den Energienotstand betonen.
Wir sehen Ava Hamilton, die mit ihrem Mann im Stau steht, der aus Stromausfällen resultiert, wodurch immer wieder die Ampelanlagen ausfallen. Im Dialog erfahren wir, dass sie vor einer schwerwiegenden Entscheidung steht, die Erde für Monate zu verlassen, da Ava, zumindest für ihren Mann Michael, die Einzige zu sein scheint, die der Krise ein Ende bereiten könnte. Und bereits nach dem Vorspann finden wir sie auch schon auf der Raumstation Cloverfield wieder, als Teil eines siebenköpfigen Teams, das einen Teilchenbeschleuniger testet, von dem sie sich versprechen, die Energieprobleme der Erde ein für allemal zu lösen.
»It's big, blue, full of angry people. Keep looking, you'll find it.« - Mundy
Doch gleich der erste Versuch misslingt erwartungsgemäß. Das internationale Team, bestehend aus der Chinesin Tam, die von Ziyi Zhang gespielt wird und als Einzige keine Synchronstimme braucht, da auf der Station Mandarin als Zweitsprache vorherrscht, was im Film untertitelt wird, dem Deutschen Schmidt, gespielt von Daniel Brühl, der sich in der deutschen Synchronisation kurioserweise nicht selbst spricht, dem Iren Mundy, der für die Komik im Film zuständig ist, dem Russen Volkov, der immer wieder mit seinen Kollegen aneckt, dem Brasilianer Acosta, der als Stationsarzt fungiert, dem US-amerikanischen Kommandanten Kiel, gespielt von David Oyelowo, und der unter britischer Flagge arbeitenden Ava Hamilton, die für die Kommunikation zuständig zu sein scheint, arbeitet rund um die Uhr daran, das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Während die höchst gefährliche Maschine auf Herz und Nieren überprüft wird, sehen wir die TV-Übertragung eines Interviews mit dem Verfasser eines Artikels namens „Das Cloverfield Paradox“, indem dieser davor warnt, mit dem „Shepard-Beschleuniger“ ein Tor zu Welten jenseits von Raum und Zeit zu öffnen, das Monster, Dämonen oder Seebiester hervorbringen könnte. Die Wissenschaftler an Bord der Raumstation wollen jedoch zunächst nichts von solch wilden Theorien wissen. Die Erde steht kurz vor einem Krieg um die letzten Energiequellen, und ihre letzte Hoffnung ist, den Beschleuniger endlich in Gang zu bekommen, um positive Energie zu produzieren.
Als dann ein weiterer Versuch schiefläuft, ist die Erde plötzlich verschwunden, unerklärliche Dinge geschehen an Bord, die auch nicht gerade für seichte Nerven sind. Mundys Arm wird zum großen Bruder des „eiskalten Händchens“, Volkov wird zum Wurmsprudel und eine Frau materialisiert in der Wand mang der Verkabelung, die sich später als Mannschaftsmitglied Jensen herausstellt, die Avas Rolle auf der Station spielt - allerdings in ihrem Universum. In Jensens Welt ist Ava eine zivile Beraterin und Avas Kinder sind noch am Leben.
Als Ava eine Videoaufnahme von ihrer Familie sieht, überlegt sie doch glatt, zu ihren noch lebenden Kindern zurückzukehren! Sicher, als Mutter kann man es ihr nicht übelnehmen, doch als Wissenschaftlerin sollte sie es doch besser wissen. Das ist eine der Schwächen im Drehbuch. Eine weitere ist, dass die Handlung recht vorhersehbar ist - zumindest für den geübten Sci-Fi-Gucker. Im Großen und Ganzen wirkt der Film schon wie eine wilde Mischung aus Star Trek und Alien, auch wenn die Monster plötzlich unten auf der Erde wüten, wie wir parallel zu den Ereignissen auf der Station aus der Sicht von Avas Mann Michael erfahren, der als Helfer auf dem Weg zum Krankenhaus durch die zertrümmerte Stadt fährt und ein Mädchen errettet.
Da auf der Raumstation das Chaos vorherrscht, ist der Weg zurück an den Ausgangspunkt mit zahlreichen Hindernissen gepflastert. Doch irgendwie gelingt es den Verbliebenen, mit den letzten Reserven zurückzugelangen, allerdings ohne zu ahnen, was sie auf der Erdoberfläche erwartet...
»Tell them not to come back!« - Michael
Kommen wir zurück zur Verbindung zu den anderen Cloverfield-Filmen. Fakt Nr. 2 ist: Wir sehen am Ende das Monster (oder auch ein anderes derselben Art, auf jeden Fall um Einiges ausgewachsener), welches Manhattan in Cloverfield besucht hat. Fakt Nr. 3: Am Ende von Cloverfield sehen wir in einem Kameraschwenk, dass ein Objekt in den Ozean fällt. Hier wird viel spekuliert, ob es ein Teil der Cloverfield-Raumstation aus dem Paralleluniversum sei oder ein durch ein Portal gefallenes Alien...
Wir haben auch ein Bunkerszenario mit Michael und dem Mädchen Molly, was Erinnerungen an 10 Cloverfield Lane wachwerden lässt, was sich jedoch nicht direkt auf jenen Film bezieht. Als kleinen Gimmick sieht sich Molly auf dem Tablet einen Cartoon namens „Bleep Bloop“ an, der aus den Spielereien von J.J. Abrams und Parks & Recreation-Schauspieler Ben Schwartz entstanden ist, die sie vor Jahren begonnen hatten und aus denen auch das Firmenlogo von Bad Robot entstanden ist. Ben Schwartz hatte übrigens auch bei den Bleeps und Bloops von BB-8 in Star Wars VII Das Erwachen der Macht mitgeholfen.
»Das Liebste an der Cloverfield-Serie ist für mich, verschiedene Regisseure zu haben, verschiedene Ansichten«, erklärt J.J. Abrams. »Das ganze Konzept von Cloverfield ist, keine echte Zeitlinie zu haben, keine geradlinige Geschichte zu erzählen. Ich liebe die Idee, mit verschiedenen Genres zu spielen. Dieser hier ist ein lustig-poppiges Weltraum-Melodram, in das die Cloverfield-Geschichte hinein gemengt wurde, der erste war ein Monsterfilm aus nur einem Blickwinkel, der zweite war ein Thriller, dicht erzählt auf engem Raum. Und ich fand die Idee toll, diese Reihe könnte verschiedene Genres bedienen, und verschiedenen Regisseuren die Gelegenheit geben, sich auszudrücken. Und mir macht es Spaß, jedesmal mit verschiedenen Leuten zusammenzuarbeiten.«
Darüber, wie diese Reihe nun fortgesetzt wird, lässt sich der Produzent nicht erweichen, einen Titel zu nennen. Fakt ist: Dieser Film sollte bis vor kurzem noch „God Particle“ heißen. Auch über den neuen Cloverfield-Film, der noch für dieses Jahr zu Halloween angesetzt und als „Overlord“ gelistet ist, welcher sich um zwei US-Soldaten hinter feindlichen Linien im II. Weltkrieg drehen soll, ließ er nichts verlauten. Überraschung ist Trumpf, wenn's um Cloverfield geht. Wenn jeder Zuschauer fragt: Was ist da gerade passiert? Wo gehen die hin? Warum machen die das? Wart mal kurz, was?! Dann sind wir in einem Cloverfield-Film gelandet. The Cloverfield Paradox mag zwar einige Fans verärgert haben, weil er zu sehr melodramatisch ist, doch das Mysterium bleibt. Warten wir also ab, was Son of a Gun-Regisseur Julius Avery in die Kinos bringen wird. Oder auf Netflix... ■ mz
25. Februar 2018
SciFi/Thriller
USA 2018
102 min



mit
Gugu Mbatha-Raw (Ava Hamilton)
David Oyelowo (Commander Kiel)
Roger Davies (Michael Hamilton)
Ziyi Zhang (Tam)
Daniel Brühl (Schmidt)
Chris O'Dowd (Mundy)
John Ortiz (Monk Acosta)
Aksel Hennie (Volkov)
Elizabeth Debicki (Mina Jensen)
Clover Nee (Molly)
Donal Logue (Mark Stambler)
Ken Olin (Radiostimme)
Simon Pegg (Radiostimme)
Greg Grunberg (Joes Stimme)
u.a.

drehbuch
Oren Uziel, Doug Jung

musik
Bear McCreary

kamera
Dan Mindel

regie
Julius Onah

produktion
Bad Robot
Paramount Pictures

verleih
Netflix


vorspann
nach ca. 5 min - wechselnde Bilder - Schrifttafeln mit animierten Buchstabenlinien, zum Cloverfield-Logo passend

abspann
normal fließend

erwähnung
keine