You are wanted
Ein Mann sieht rot: Lukas bedroht den BND-Mann Wankura.
© Amazon Studios/Pantaleon Films/Warner Brothers
Lange Zeit wurde die Werbetrommel gerührt, nun ist sie da - die erste von Amazon Studios in Zusammenarbeit mit Matthias Schweighöfers Pantaleon Films GmbH und Warner Brothers produzierte deutsche Serie. Der Trailer trieb die Erwartungen hoch, auch wenn das Thema nicht mehr so ganz neu ist. Vor allem die prominente Besetzung mit Alexandra Maria Lara, Tom Beck und Karoline Herfurth samt Mitregisseur und Produzent Matthias Schweighöfer in der Hauptrolle sollte die Zuschauer anreizen. Und die Rechnung scheint auch zunächst aufzugehen, denn mit dem erfolgreichsten Serienstart der Plattform Amazon Prime wurde bereits eine zweite Staffel in Auftrag gegeben.
»Kennen Sie zufällig diesen Mann?«
Lukas Franke führt ein glückliches und unbeschwertes Leben in der Mitte der Gesellschaft. Doch als ein Unbekannter seine Daten hackt, Lukas' komplette digitale Identität umschreibt und aus dem jungen, harmlosen Familienvater schließlich einen gejagten Terroristen designt, beginnt sein persönlicher Albtraum. Das Leben von Lukas Franke könnte glücklicher kaum sein: Er hat eine liebevolle Ehe mit Hanna, einen tollen sechsjährigen Sohn, einen gut bezahlten Job als Hotelmanager und ein kleines Haus am Rande von Berlin.
Als eines Tages ein großflächiger Stromausfall die Stadt lahmlegt, ahnt Lukas noch nicht, dass das der Anfang seines persönlichen Albtraums sein wird. In den Tagen darauf geschehen merkwürdige Dinge: Lukas erhält rätselhafte E-Mails, er bekommt Pakete zugeschickt, die er nie bestellt hatte, auf seinem Laptop erscheinen ominöse Botschaften. Als sich auch noch eine angebliche Affäre von ihm bei Hanna meldet und sein Sohn zur Zielscheibe der anonymen Attacken wird, befürchtet er, Opfer eines ernstzunehmenden Hackerangriffs zu sein. Aber warum? Wer steckt dahinter?
Noch bevor Lukas Anzeige erstatten kann, erfährt er zu seiner Überraschung, dass er selbst im Fokus der Ermittlungsbehörden steht: Die leitende Kommissarin Jansen verdächtigt ihn hinter dem Hackerangriff auf das Stromnetz zu stehen. Nicht nur das: In einer Gefährderansprache teilt sie Lukas mit, sie habe glaubhafte Hinweise, dass er Mitglied in einer terroristischen Vereinigung sei und einen Bombenanschlag plane. Noch habe das LKA keine Beweise gegen ihn, aber er sei von nun an unter ständiger Beobachtung.
Während Lukas vergeblich versucht, seine Unschuld zu beweisen, und zunehmend verzweifelt darum bemüht ist, sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen, meldet sich der Hacker wieder: Sollte Lukas sich bereit erklären, ein (scheinbar harmloses) Paket persönlich nach Frankfurt zu transportieren, hat sein Albtraum ein Ende. Sollte er sich weigern, wird sein Leben endgültig zur Hölle.
Beim Versuch, den Hacker zu finden und gleichzeitig seine Familie zu schützen, trifft Lukas auf die vom selben Hacker bedrohte, aber zunächst schwer durchschaubare Journalistin Lena. Gemeinsam machen sie sich auf die Jagd. Als die Lösung in greifbare Nähe rückt, ändert sich plötzlich alles: Lukas muss sich fragen, wem er überhaupt noch trauen kann...
»One train may hide another.«
Die Serie mit den sechs Episoden gibt es weltweit bei Amazon Prime Video zu sehen und wurde in die Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch synchronisiert. Untertitel stehen neben diesen Sprachen in Hindi, Japanisch und Portugiesisch zur Verfügung. Und wer die passenden Geräte zur Hand hat, kann das Ganze auch noch in Dolby Digital 5.1, Ultra HD (4k) und HDR (High Dynamic Range) sehen.
Optisch und technisch wurde die Serie hervorragend umgesetzt. Auch die Handlungsorte wurden sorgfältig aussortiert, um nicht zu abgedroschen oder „abgefilmt“ zu wirken. Auch Herr Schweighöfer selbst steuerte eigene Musik bei, die übrigens auch ganz gut daherkommt. Sein erstes Musikalbum ist erst vor kurzem im Handel erschienen. Allerdings gibt es an der Serie auch einiges herumzumäkeln - allem voran der Hauptdarsteller. Schweighöfer-Hasser werden es schwer haben, dranzubleiben. Auch wenn er sich Mühe gibt, kann er den üblichen „Schweighöfer“ nicht ganz abschütteln, allein vom Äußeren.
Wenn man aber darüber hinwegsehen kann, erwartet einen eine recht spannende Serie im Stil von 24, gemischt mit der Paranoia von Staatsfeind Nr. 1. Immer wieder werden falsche Fährten gelegt und in der Mitte sogar eine Wendung eingeführt, um das Publikum bei der Stange zu halten. Doch (zu) viele (Drehbuch-)Köche verderben den Brei. So bleiben einem zwar explizite Handlungsfolgen, wie man sie oft aus dem Fernsehen kennt, erspart, das dann aber ein wenig zu sehr. Manchmal bekommt man den Eindruck, etwas verpasst zu haben. Warum tut er jetzt dies? Woher kommen die Anschuldigungen? Wie kann das alles passieren?
Hin und wieder erschleichen sich auch Fehler in der Handlungsabfolge ein, wo man sich fragt, ob die Autoren sich nicht richtig abgesprochen haben. Man kann aber auch Dinge hineininterpretieren, damit das Ganze wieder plausibel wird. Insofern wird der mündige, erwachsene Zuschauer quasi zum Mitautor. Manchen wird dies sauer aufstoßen und eventuell zum Ausschalten bewegen, doch bleibt die Handlung relativ nachvollziehbar und spannend.
»Hier bei You are wanted ist es anders«, sagt Edin Hasanovic, der den zwielichtigen BKA-Beamten Thorsten Siebert spielt. »Da war die Prämisse: Matthias wollte immer wieder: „Spielt amerikanischer!“ Das heißt: Erklärt nicht immer sofort alles dem Zuschauer, nicht nochmal und so wiederholen, nicht immer sofort realitätsnah, so „es würde aber in Echt nicht sein“. Das fragst du dich bei Breaking Bad auch nicht. Bei Breaking Bad sagst du nicht „Ah, das glaub ich aber nicht.“ Fuck yeah, das ist voll unterhaltsam, das ist voll geil, also mach ich's. Und da sind wir, glaub' ich, mit You are wanted für den deutschen Markt ein Meilenstein. Ich hoffe, dass wir damit was verändern können - sowohl für den Zuschauer als auch für den Macher vor und hinter der Kamera.«
Und man muss auch nicht alles bis ins kleinste Detail wissen, wie es funktioniert. Der Durchschnittsbürger sieht die ganze Sache wie Lukas Franke mit Verblüffenheit. Fakt ist: Man muss nur wissen, dass so etwas möglich ist, besonders in der heutigen Zeit, wo Datenschutz groß geschrieben wird und Datenklau auf der Tagesordnung steht. Dass die ganze Handlung letztlich zu BND und NSA führt, lässt den Zuschauer auch nicht gerade zufrieden zurück, führt eventuell sogar dazu, die eigenen Sicherheitsprinzipien zu überdenken, besonders was die eigene digitale Identität betrifft.
Wie die Geschichte in der zweiten Staffel fortgeführt wird, wird sich zeigen. Das Ende der sechsten Folge wurde demnach mit genau dieser Option offen gelassen, auch wenn die Handlung der sechs Folgen zunächst abgeschlossen wird. »Am Ende der Serie ist es halt ein ganz anderer Mann, ein ganz anderer Mensch - geprägt, verfolgt...«, sagt Matthias Schweighöfer über seine Figur.
»Ich glaube, ich weiß jetzt, wie du klingst.«
Sicher, einige Figuren bleiben ein wenig klischeebehaftet oder werden nicht genug beleuchtet, wozu dann aber bei einer Fortsetzung noch Zeit bleibt. Auch wird von SEK-Seite immer erst geschossen, selbst wenn die Zielperson unbewaffnet ist. Das könnte an der „terroristischen Gefährdungslage“ liegen, muss aber nicht unbedingt sein. Da sind die Amerikaner mittlerweile oft einen Tick menschlicher geworden. Was noch auffällt: Hannas Freundin/Arbeitskollegin Vero ist mit ihrem französischen Akzent recht schwer zu verstehen, ebenso hin und wieder Sohn Leon (der anfangs noch vermuten lässt, ein Mädchen zu sein) und selbst Frau Lara in diversen leise sprechenden Szenen. Da könnte noch nachgebessert werden.
You are wanted lässt sich jedenfalls nicht pauschal abschreiben. Die Serie ist spannend, rasant und lässt sich in einem Abwasch durchgucken. Man sollte jedenfalls nicht allzu viel Zeit zwischen den Folgen verstreichen lassen, denn sie gehen nahtlos in einander über und besitzen keine Zusammenfassung, wie es derzeit bei sogenannten Bingewatching-Serien der Fall ist. Außerdem sollte mal ein deutsches Wort dafür gefunden werden. Das Bis-zum-Exzess-Serien-in-einem-Abwasch-Gucken kann man auch Extremglotzen oder, in Anlehnung an die alkoholisierte Jugend, Komaglotzen nennen.
Zumindest gehen die sechs Folgen am Stück runter wie Öl. Es gibt nur wenig langatmige Szenen und jede Menge Action. Wovon jedoch noch ein wenig fehlt, ist das Mitfiebern. Matthias Schweighöfer mag zwar der sein, der das Ganze nach vorn gebracht, die Produktion angekurbelt hat und als deutsches Äquivalent zum Energiebündel Tom Cruise gesehen werden kann, doch die Hauptrolle hätte er jemand anderem überlassen sollen. Vielleicht hat er auch mittlerweile zu viel Klamaukfilme gemacht, um das nötige Charisma herüberzubringen.
Wenn man aber dabei die Pionierarbeit betrachtet, die erste deutsche Serie in diesem Format zu sein, muss man Herrn Schweighöfer und Amazon ein Lob für ihren Mut aussprechen, es überhaupt gewagt zu haben. Und trotz der angesprochenen Mängel hebt sich die Serie immerhin vom Rest der deutschen TV-Landschaft ab, die stets nur auf Nummer Sicher gehen will und in ihren Strukturen festgefahren ist. Ich werde die Serie jedenfalls weitergucken und hoffe, dass es jetzt noch mehr interessante Serienformate dort geben wird, vielleicht sogar mal wieder eine SciFi-Serie?
»Du willst überleben? Dann mach ihnen Angst!«
Seit Mai ist nun die 2. Staffel online. »Der Erfolg von Staffel eins in Deutschland und international war ein ungeheurer Ansporn, die zweite Staffel noch besser zu machen. Die neuen Folgen sind düsterer, noch spannender und kompromissloser«, verlautete Produzent Dan Maag zur Weltpremiere im ArcLight in Hollywood. Gut, nach der Sichtung der 6 neuen Folgen kann ich das nicht so ganz bestätigen, zumindest was die Spannung angeht.
Als Lukas Franke im Park sitzt und sich entscheiden muss, ob er die Welt von der Existenz des Daten sammelnden Monsterprogramms „Burning Man“ unterrichten soll, scheint dies die einzig logische Konsequenz. Trotzdem entscheidet er sich dagegen - aus Sorge um seine Familie, aus Liebe zu Hanna und Leon. Doch dann erwacht er in seinem schlimmsten Alptraum: Die letzten 24 Stunden sind aus seinem Gedächtnis gelöscht und „Burning Man“ verschwunden.
Es ist der Augenblick, in dem Lukas für BND und CIA zum Staatsfeind Nummer 1 wird. Wer „Burning Man“ entwendet hat, macht für die Geheimdienste keinen Unterschied. Für den Chef der Cyber-Abteilung der CIA, Admiral Gardner, sind es in jedem Fall Terroristen. Sie werden keine Ruhe geben, bevor sie nicht in Händen halten, was ihnen gehört: die mächtigste Cyberwaffe der Welt. Lukas bleibt nur eine Chance auf eine gemeinsame Zukunft mit Hanna und Leon: Er muss „Burning Man“ wiederfinden.
Also zieht er los - durch die Nacht, durch die Stadt. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, muss Lukas weit über sich selbst hinauswachsen, um sein Ziel zu erreichen. Er muss nicht nur gegen Geheimdienstler kämpfen, sondern auch gegen Menschen, die ihre ganz eigene Vorstellung von einer gerechten Welt haben, und gegen Kriminelle, für die ein Programm wie „Burning Man“ das perfekte Werkzeug zur Erlangung von Macht und unendlichem Reichtum ist.
Lukas lernt, wie die Geheimdienste zu handeln, und wie ein Verbrecher zu denken. So wird er nach und nach vom Gejagten zum Jäger und schafft es, den Wettlauf gegen die Zeit zu gewinnen, auch wenn dabei die Grenzen zwischen Gut und Böse mehr und mehr verwischen. Klar, was will man machen, wenn man zum Staatsfeind Nr. 1 wider Willen wird und dadurch die Familie und das gewohnte Leben zerbröselt? Auf der Suche nach seinem Computerexperten Dalton stößt er auf die Holländerin Angel, die ihm nicht ganz uneigennützig helfen will.
In der 2. Staffel gelangt Lukas an den tiefsten Punkt, auf den man sinken kann - ohne Familie, Hab und Gut, verletzt und auf der Flucht. Doch nach dem Zureden eines Obdachlosen wird er daran erinnert, dass es etwas gibt, das man nicht programmieren kann - Menschlichkeit, Liebe und Mut. Und so richtet er sich auf, um gegen das Unrecht gegen sich und die Welt anzukämpfen und seinen Sohn ein letztes Mal zu sehen...
Der weltweite Erfolg der 1. Staffel schlägt sich in der prominenten Besetzungsliste der 2. Staffel wieder: Neben Jessica Schwarz als zwielichtige Reporterin und Minh-Khai Phan-Thi als vietnamesische Unterweltchefin sind Hannah Hoekstra als holländische Hackerin und US-Schauspieler Michael Landes als überzeugter Terroristenjäger zu sehen. Doch auch wenn man manchmal bei dem ganzen Daten-Gelösche und -Verschiebe durcheinanderkommt und die Handlung der Spannung etwas entgegen wirkt, so ist die 2. Staffel doch recht ansehnlich, nicht zuletzt durch die Tonspur und die sorgfältig ausgesuchten und nicht gerade in den Vordergrund rückenden Drehorte in Berlin. Und am Ende ist man schon gespannt, wie die Serie weitergehen wird... ■ mz
24. März 2017
Drama/Krimi
D 2017
Episoden á 48 min
Amazon Prime Video


mit
Matthias Schweighöfer (Lukas Franke)
Alexandra Maria Lara (Hanna Franke)
Franz Hagn (Leon Paul Franke)
Jörg Pintsch (Thomas Franke)
Edin Hasanovic (Thorsten Siebert)
Catrin Striebeck (Sandra Jansen)
Aleksandar Jovanovic (Case/Jens Kaufmann)
Katrin Bauerfeind (Julia Gracht)
Tom Beck (Marc Wessling)
Markus Gertken (Lorenz)
Karoline Herfurth (Lena Arandt)
Louis Hofmann (Dalton)
Michael Landes (Admiral Bruce Gardner)
Minh-Khai Phan-Thi (Vu Mai-Ly)
Alexander Radszun (Rolf Wankura)
Jessica Schwarz (Nelly Hallaska/Helen Grant)
Hannah Hoekstra (Angel/Frida Bosman)
Gitta Schweighöfer (Schwester Inge)
u.a.

drehbuch
Hanno Hackfort, Bob Konrad, Richard Kropf, Markus Hoffmann
Uwe Kossmann, Sina Flammang, Bernhard Jasper, Doris Laske, Arndt Stüwe

musik
Josef Bach
Arne Schumann
Matthias Schweighöfer

kamera
Bernhard Jasper, Patrick Kaethner

regie
Bernhard Jasper
Matthias Schweighöfer

produktion
Amazon Studios
Pantaleon Films
Warner Brothers

verleih
Amazon Prime Video