Dienstag, 10. Dezember 2024
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Silvi
Interview mit Lina Wendel

Interview mit Nico Sommer


Regisseur Nico Sommer
© Fabian Oscar Wien
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Geboren 1983 in Berlin, aufgewachsen in Berlin, unternahm Nico Sommer während der Schulzeit erste filmische Gehversuche. 2006 begann er sein Studium an der Kunsthochschule Kassel mit dem Schwerpunkt Spiel- und Dokumentarfilmregie. Er beschäftigte sich mit den filmisch erzählbaren Grenzen von Fiktion und Realität. Viele seiner im Studium fertig gestellten Filme erhielten nationale Preise und entstanden in Co-Produktion mit süsssauerfilm. 2012 schloss er sein Studium mit Auszeichnung ab.

Sein Debütfilm Silvi wurde ohne Filmförderung realisiert und feierte seine Uraufführung auf der 63. Berlinale 2013.

Wieso interessiert sich ein 29-jähriger Nachwuchsregisseur für einen Stoff, in dem eine fast 50-Jährige Einblick in ihr Leben gibt und einen Mann sucht?

Mein Debütfilm Silvi hat an sich betrachtet wenig mit dem spezifischen Alter zu tun. Das Faszinierende ist eher der Sehnsuchtsgedanke unserer titelgebenden Protagonistin – dieses urmenschliche Bedürfnis nach Anerkennung, Liebe, Zuneigung, Geborgenheit. Niemand will einsam sein. Schauen Sie sich einmal nachts in der U-Bahn um, da sitzen viele vor ihren Geräten und beamen sich aus ihrer Einsamkeit. Genauso will Silvi natürlich auch ihrer Einsamkeit entfliehen. Demnach ist es für mich eher ein universelles Thema in unserer heutigen Zeit.

Julia Stiebe und Sie haben gemeinsam das Drehbuch geschrieben?

Ja und nein. [lacht] Julia ist die Autorin und ich bin der Co-Autor gewesen. Die Geschichte auf der Leinwand basiert lose auf tatsächlichen Begebenheiten einer „echten Silvi“. Mich persönlich haben diese Ereignisse sofort angesprochen und intuitiv wusste ich, dies könnte ein Stoff sein, für den es auch Zuschauerinteresse gibt.

Aber vielmehr muss man auch sagen, dass es kein konventionelles Drehbuch gab, sondern eher ein Treatment, was uns die Möglichkeit bot, Strukturen und Dialoge so zu verändern, dass der Film eine größere Authentizität erhält.

Es gab also keinen festen Dialog?

Richtig. Wir hatten formal betrachtet eine Art Drehbuch mit verkürztem Dialog, der als Orientierung diente und am Drehort verändert werden konnte. Die ersten Fassungen beinhalteten aber auch sehr viele Silvi-Monologe, die den inneren Zustand der Figur verdeutlichten und Aufschluss über Backgroundgeschichte der Figur lieferten. Aber zum Beispiel der Satz: „Sperr mich in den Schrank ein!“ stand schon in der allerersten Treatmentfassung und kann natürlich nicht einfach weggelassen werden. [schmunzelt]

Sie arbeiten mit der Einbettung von Interviews und haben dieses Stilmittel schon bei ihren früheren Filmen verwendet? Warum?

Das gefällt mir einfach sehr gut und evoziert verschiedenste Dinge: Wir tauchen zügig in das Innenleben der Figur ein. Als Zuschauer habe ich das Gefühl von Divergenz, was zum Nachdenken anregt und andererseits Nähe und Empathie herstellt. Hoffentlich. [lacht] Man kann sich einfach besser spiegeln, was besonders bei diesem Film wichtig und richtig war, denke ich.

Berlin als Drehort an sich kommt nicht so deutlich vor wie in anderen „Berlin-Filmen“ zur Zeit. Wieso?

Wir wollten keinen „Fernsehturm-Film“ machen. Viel eher haben wir darauf geachtet, dass es etwas Universelles gibt, in der Lokation der Geschichte. Es ist nicht wichtig, in welcher Stadt, sondern dass der Film in einer Stadt spielt. Heutzutage lebt jeder Fünfte allein und dies natürlich besonders in den größeren Städten wie Berlin, Köln, Hamburg, München. Trotzdessen steckt natürlich Berlin in den Figuren! Uwe, der Busfahrer, ist einfach ein echter Berliner, genauso wie der Schauspieler Harald Polzin. Es sind neben Lina aber auch Alexander du Prel, Thorsten Merten, Judith Steinhäuser, Iván Gallardo echte Berliner mit an Bord.

Lina Wendel wurde zurecht bereits zweimal ausgezeichnet für ihre schauspielerische Leistung in Silvi. Wie arbeiten Sie mit Lina Wendel und wo war diese Frau all die Jahre?

Lina Wendel war meine Erstbesetzung. Wir kannten uns schon von einem meiner Filme vorher und ich wusste, dass sie die Rolle ausfüllen kann. Für mich gibt und gab es keine bessere Silvi und für mich feiert sie zurecht ihr Leinwand-Comeback! Wenn Lina das Projekt nicht angenommen hätte, wäre dieser Film heute nicht in den Kinos zu sehen.

Was meine Schauspielführung angeht, arbeite ich sehr intuitiv. Ich bin gern zurückhaltend und versuche vor allem, die Stimmung, die Gefühle, die Richtung, das Echte zu erspüren. Ich gebe sehr bewusst Freiheiten und versuche dennoch, explizit und genau das zu erzählen, was die Szene braucht. Ich suche und finde Wahrhaftigkeit durch genaues Zuhören.

Lina Wendel und auch die anderen Schauspieler Thorsten Merten, Harald Polzin, Iván Gallardo und Peter Trabner haben so viel Erfahrung, dass sie jederzeit Vorschläge unterbreiten können und dabei dennoch sehr genau arbeiten! Sie geben durch ihr Improvisationstalent dem Film sehr viel mit! Und darüber bin ich sehr glücklich!

Ihr Film ist ohne Filmförderung entstanden...

Ja, das ist korrekt. Wir konnten dadurch sehr flexibel arbeiten. Die Freiheit ist auf unserer Seite als Filmemacher, vor wie hinter der Kamera. Jeder kann sich entfalten. Wir tragen volle Verantwortung und haben die Kontrolle über die Zeit und das Geld. Es ist eben das selbst besorgte bzw. das eigene Geld. Damit geht man einfach anders um. Allerdings ist es nicht immer einfach, ohne entsprechenden finanziellen Rückhalt einen Film in Eigenproduktion zu stemmen. Bestimmte Prozesse beim Film sind schließlich kostenintensiv. Auf der anderen Seite geben uns diese Einschränkungen in gewisser Weise neue Möglichkeiten, die man nutzen kann und muss. Quelle: Bildkraft; Interview: Gabi Weber ■ mz

4. Oktober 2013
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OT: Silvi
Drama
D 2013
97 min
FSK 16


mit

Lina Wendel (Silvi)
Thorsten Merten (Michael)
Harald Polzin (Uwe)
Iván Gallardo (Juan)
Peter Trabner (Thomas)
Judith Steinhäuser (Karin)
Leni Wesselman (Susann)
Gerdy Zint (Paul)
u.a.

drehbuch
Julia Stiebe
Nico Sommer

musik
Gitte Hænning

kamera
Alexander du Prel

regie
Nico Sommer

produktion
Süsssauer Filmproduktion

verleih
Bildkraft

Kinostart: 3. Oktober 2013