Dienstag, 10. Dezember 2024

Interview mit Regisseur Régis Roinsard


Regisseur Régis Roinsard, Romain Duris (Louis Echard) und Déborah François (Rose Pamphyle) am Set
© STUDIOCANAL

zur IMDb | Mademoiselle Populaire | Filmseite | Beitrag teilen
Interview mit Déborah François

Régis Roinsard, 1970 in Louviers geboren, studierte an der privaten Pariser Filmschule ESEC und drehte anschließend mit Les Petits-Salés den ersten von zahlreichen Kurzfilmen, für die er in Frankreich und auch international zahlreiche Preise erhielt. Als Regisseur von Videoclips für Sänger wie Jean-Louis Murat, Cali und Jane Birkin machte er sich schon bald einen Namen und dreht immer häufiger auch Werbefilme. Mademoiselle Populaire ist sein erster abendfüllender Spielfilm.

Dies ist Ihr erster abendfüllender Spielfilm. Können Sie uns kurz Ihren Werdegang schildern?

Ich wollte schon immer Geschichten in Bildern erzählen. Auf dem Gymnasium fing ich damit an, Leute zu fotografieren, die die anderen für besonders seltsam hielten. Offen gestanden war ich wohl selbst einer von ihnen, denn ich verbrachte meine gesamte Zeit damit, Filme im Fernsehen aufzunehmen, um sie später besser analysieren zu können. Anschließend absolvierte ich ein Filmstudium und arbeitete danach in vielen unterschiedlichen Filmjobs: als Kabelträger, im Ausstattungs- und Tonbereich und so weiter. Meinen ersten Kurzfilm habe ich sehr früh gedreht, danach drei weitere, dann kamen Werbespots, Promo-Filme und Videoclips für Sänger wie Jean-Louis Murat, Jane Birkin oder Luke.

Wie kamen Sie auf die Idee eines Schnelltipp-Wettbewerbes?

2004 sah ich einen Dokumentarfilm über die Geschichte der Schreibmaschine, und darin gab es eine kurze Sequenz, die Schnellschreib-Wettbewerbe zeigte. Diese 30 Sekunden haben mich derart fasziniert, dass ich das filmische Potenzial sofort erkannte. Ich habe auf der Stelle die groben Züge der Geschichte skizziert. Am Anfang gab es nur die Heldin die männliche Figur existierte noch nicht, allerdings stand für mich fest, dass sie aus einer kleinen Stadt kommen musste. Ich gab ihr den Namen einer meiner Großmütter. Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass ich wie Rose aus einer Kleinstadt in der Normandie stamme, und dass Paris für mich die unerreichbare Metropole darstellte.

Wo nahmen Sie Ihre Informationen her?

Ich begann damit, über den „Sport“ des Schnelltippens und über die Schulen, die Maschineschreiben und Stenographie unterrichteten, zu recherchieren. Das war 2004, und es war kein leichtes Unterfangen, weil die Schulen nach und nach schlossen und keinerlei Dokumente archiviert hatten. Alles, was ich finden konnte, waren kurze Internetvideos, die Schnellschreibwettbewerbe zeigten. Eines der interessantesten Dokumente war das Foto einer amerikanischen Meisterschaft, die in einer Art Radsporthalle stattfand - vor Tausenden von Zuschauern.

Und dann begannen Sie mit dem Schreiben?

Zuerst schrieb ich ein Treatment von ca. 30 Seiten und entwickelte darin die Charaktere aus Roses Umfeld. Mein Freund Daniel Presley, ein Musikproduzent und großer Fan amerikanischer 50er-Jahre-Komödien, und ich dachten uns dann die Figuren von Bob und Marie aus. Schließlich beschlossen wir, das Drehbuch gemeinsam zu schreiben. Mit unserem ersten Entwurf waren wir aber nur zu 60 Prozent zufrieden. Wir fanden, dass Roses Figur mehr psychologischen Tiefgang brauchte.

Ich hatte ein paar Drehbücher von Romain Compingt gelesen. Er ist 26 und Fan von Britney Spears und Marilyn Monroe. Witzigerweise dachte ich, dass er das richtige Gespür dafür haben müsste, wie man Roses Charakter anreichern kann. Also rief ich ihn an, und drei Wochen später erhielten wir seine Version des Drehbuchs. Damit waren wir zu 85 Prozent zufrieden, denn Compingt hatte die Liebesgeschichte viel aufregender gestaltet. Anschließend machten wir zu dritt weiter.

Zu welchem Zeitpunkt kam Alain Attal an Bord?

Er war der Erste, der das Drehbuch las. Wir gaben es ihm an einem Freitag, und am folgenden Dienstag sagte er uns, dass er den Film machen wolle! Wir trafen uns, und sehr schnell wurde klar, dass seine Vision des Films meiner entsprach. Das Großartige ist, dass er etwas von einem Coach an sich hat: Er sorgt nämlich dafür, dass Regisseure das Beste von sich geben können. Alain ist mein Louis Échard! Was ihn antreibt, ist auch so eine Art Verrücktheit und künstlerische Besessenheit. Er spornte mich unablässig an und half mir, mich selbst in Frage zu stellen.

Was schwebte Ihnen visuell vor?

Wir wollten die 50er zum Leben erwecken, indem wir Dokumentarisches mit dem Kino jener Epoche, vor allem also US-Filme, und den Fantasievorstellungen, die wir heute von dieser Zeit haben, mischten. Alles was mit den Hauptfiguren zu tun hat, ist vom Kino und unserer Imagination inspiriert, von Bildern, die Billy Wilder oder Douglas Sirk schufen. Je weiter wir uns von den Hauptpersonen entfernen, desto dokumentarischer wird es: Nebenrollen und Komparsen etwa sind deutlich mehr in einer realistischen Welt verankert. Sie sehen wirklich aus wie Menschen aus jener Epoche.

Was ist mit den Farben?

Wir haben viel über die amerikanische und französische Werbung der 50er recherchiert und uns fast sämtliche Farbfilme angesehen, die damals in Frankreich produziert wurden. Der rote Ballon und Zazie dienten uns als Inspirationsquellen. Aber wir haben ein bisschen geschummelt, weil wir auch Filme der Nouvelle Vague geguckt haben, zum Beispiel Godards Eine Frau ist eine Frau.

Wie haben Sie Ihre Schauspieler ausgewählt?

Ich wollte ein Ensemble zusammenstellen, in dem jeder seine Besonderheiten mitbringt - wie ein Dirigent, der Musiker auswählt, die miteinander kommunizieren und dabei im Takt bleiben. Dass ich mich für Romain Duris entschied, lag irgendwie auf der Hand, denn sein Gespür für Komik und Rhythmus imponiert mir. Er tauchte sehr tief in seine Figur ein und bat darum, dass wir ein paar Stellen im Drehbuch umschreiben, um der Rolle mehr Substanz zu geben. Ich finde es gut, dass er genau wie Louis ein bisschen geheimnisvoll ist: Er verrät nicht viel über sich selbst. Das treibt mich an und fasziniert seine Kollegen.

Und Rose Pamphyle?

Alain Attal und ich haben uns ungefähr 150 Schauspielerinnen angesehen, einige waren Neulinge. Doch Déborah war für uns die erste Wahl. Sie verbindet Zerbrechlichkeit mit anrührender Weltfremdheit, die sich in etwas Glamouröses verwandeln kann. Genau so sollte Rose sein: ein Mädchen vom Land, das zum Star wird. Ich war verblüfft, als sie während der ersten Proben rot wurde sie war Rose Pamphyle!

Wie haben Sie mit ihr gearbeitet?

Ich bat Déborah, sich Billy-Wilder-Komödien mit Audrey Hepburn und Shirley MacLaine anzusehen. Aber ich wollte auch, dass sie sich etwas von Marilyn Monroe aneignet. Ich habe ihr jede Menge Bilder aus der Zeit gegeben, so dass sie die Körperhaltung von Frauen in den 50ern verinnerlichen konnte wie sie geküsst haben, saßen und vom Sofa aufgestanden sind. Déborah imitiert Dinge nicht. Sie saugt alles auf und interpretiert es neu, auf ihre eigene Weise. Nur ihr Pferdeschwanz ist ganz konkret von Audrey Hepburn inspiriert wir haben Déborah sogar ein Poster von ihr ins Schlafzimmer gehängt.

Warum musste Louis Échards Freund unbedingt Amerikaner sein?

In den 50ern hatten die Franzosen jede Menge Fantasien über Amerikaner. Ich wollte, dass er die Wende von der Konsumgesellschaft zur Entertainment-Gesellschaft in Frankreich symbolisiert. Bob, der Figur, und Shaun Benson, der ihn spielt, habe ich es zu verdanken, dass ich den Musicalaspekt im Film betonen konnte. Shaun erinnert mich nämlich an Gene Kelly.

Nach welchen Kriterien haben Sie bereits vorhandene Musikstücke für den Film ausgewählt?

Ich liebe amerikanische Lounge-Musik und Light Jazz, etwa von Les Baxter oder Martin Denny. Auch von 50er-Jahre-Komponisten bin ich begeistert, die Songs für Sinatra und andere Sänger geschrieben haben. Ich wollte auch französische Songs verwenden, doch im Nachkriegs-Frankreich dominierten Yves Montand, Léo Ferré, Georges Brassens und Edith Piaf... Ich konnte nichts finden, was dem populären amerikanischen Light Jazz gleichkam. Dann entdeckte ich eher unbekannte Künstler wie Jack Ary. Er leitete ein Cha-Cha-Cha- und Mambo-Orchester. Er hat um die zwanzig Singles veröffentlicht, und so habe ich „Le tcha-tcha de la secrétaire“ ausgegraben.

Wie entstand der Originalsoundtrack?

Irgendwann wurde mir klar, dass ich auch originäre Musik brauchte, denn das vorhandene Material reichte nicht. Ich rief Rob an. Er arbeitet mit der Band Phoenix und hat ein großartiges Gespür für Melodien - genau wie Emmanuel d'Orlando. Zusammen haben sie den Originalsoundtrack komponiert, der großen emotionalen Einfluss auf den Film nimmt. Das Resultat ist nah an einem Musical, und das macht mich glücklich, denn Stanley Donen und Bob Fosse zählen zu meinen Lieblingsregisseuren. Quelle: STUDIOCANAL ■ mz

13. April 2013
Ohne Cookies macht das Leben Internet keinen Sinn. Daher verarbeiten auch wir zumeist anonyme Daten und schenken Ihrem Browser ein paar Kekse. Welche Sorte wir hinterlegen, können Sie in unseren Datenschutzbestimmungen lesen. Sollten Sie damit einverstanden sein, klicken Sie bitte auf das Krümelmonster...
OT: Populaire
Komödie
F/B 2012
111 min
FSK 0

mit

Romain Duris (Louis Échard)
Déborah François (Rose Pamphyle)
Bérénice Bejo (Marie Taylor)
Shaun Benson (Bob Taylor)
Mélanie Bernier (Annie Leprince-Ringuet)
Nicolas Bedos (Gilbert Japy)
Miou Miou (Madeleine Échard)
Eddy Mitchell (Georges Échard)
Frédéric Pierrot (Jean Pamphyle)
Féodor Atkine (André Japy)
Marius Colucci (Lucien Échard)
Emeline Bayart (Jacqueline Échard)
Dominique Reymond (Madame Shorofsky)
u.a.

drehbuch
Régis Roinsard
Daniel Presley
Romain Compingt

musik
Emmanuel d'Orlando
Rob

kamera
Guillaume Schiffman

regie
Régis Roinsard

produktion
Les Productions du Trésor
La Compagnie Cinématographique Européenne
France 2 Cinéma
France 3 Cinéma
Mars Films
Wild Bunch
Panache Productions
RTBF
Canal+
Ciné+
Belgacom
France Télévision
Eurimages
Région Wallone

verleih
STUDIOCANAL

Kinostart: 11. April 2013