Ende September 1981 erhielt Peter Turner einen Anruf, der sein Leben für immer verändern sollte. Seine ehemalige Geliebte, die Hollywood-Schauspielerin Gloria Grahame, sei in einem Hotel in Lancaster kollabiert. Sie verwehrte medizinische Hilfe und wandte sich an ihren Geliebten, der sie auf ihre Bitte hin in seinem warmen, wenn auch etwas chaotischen Zuhause in Liverpool aufnahm.
Das Paar traf sich ein paar Jahre vorher in einer Pension, wo sie beide residierten. Er war ein aufstrebender Schauspieler, sie ein verblassender Star. Gloria hatte sich ihren Namen im Studiosystem Hollywoods verdient, spielte oft die Gangsterbraut oder das Flittchen, oder, wie Peter in seinen Memoiren notierte, „die Torte mit Herz“. Sie trat in einer Reihe von Noir-Filmen auf, wie z.B. 1950 an der Seite von Humphrey Bogart in Ein einsamer Ort, bei dem ihr damaliger Ehemann Nicholas Ray Regie führte, oder 1953 in Fritz Langs Klassiker Heißes Eisen an der Seite von Glenn Ford und Lee Marvin.
In Film Stars don't die in Liverpool ist auch ein Bogie-Andenken zu sehen - ein Feuerzeug mit der Inschrift „Love/Bogie/In a lonely Place/1950“, das sie an „die gute alte Zeit“ erinnerte. Gloria Grahame war als Violet in dem Weihnachtsklassiker Ist das Leben nicht schön? zu sehen, brachte als Elefantenmädchen Angel ordentlich Schwung in Cecil B. DeMilles Die größte Schau der Welt und Humor in ihre Rolle als Ado Annie Carnes, das Mädchen, das „nicht nein sagen kann“, in der Filmadaption des Rodgers-und-Hammerstein-Musicals Oklahoma! und erhielt einen Oscar® für die beste Nebenrolle als Rosemary in Stadt der Illusionen, dessen kurzer und knapper Auftritt bei der Verleihung am Ende des Films zu sehen ist.
»You are all I need.«
Harte Zeiten kamen auf sie zu, und so landete sie in kleineren britischen Theaterproduktionen. Wie ihre Vermieterin im Drehbuch vermerkte, war sie „ein großer Name in Schwarzweiß-Filmen. Macht sich nicht gut in Farbe.“ Als Peter in seinen Zwanzigern in Primrose Hill auf die artikulationsübende Gloria traf, hatte er keine Vorstellung davon, wer sie war. Und doch bauten sich diese gleichgesinnten Seelen eine Freundschaft auf, die bald zu einer Romanze aufblühte.
Sie zogen nach New York, doch ihre Beziehung litt immer mehr unter den Unsicherheiten des Paars, sowie daran, dass Gloria ihre Krebsdiagnose vor Peter verheimlichte. Erst nachdem er 1981 jenen Anruf erhielt, bekam er das volle Ausmaß ihrer Gesundheitsprobleme mit. Und trotzdem ihre Beziehung scheiterte, blieben sie befreundet. Immerhin wandte sie sich in ihrer Stunde der Not an Peter!
1986 veröffentlichte Peter Turner seine Erinnerungen an seine unwahrscheinliche Liebesgeschichte mit dem ehemaligen Hollywood-Star unter dem Titel „Film Stars don't die in Liverpool“, die nun, über 30 Jahre später, mit Annette Bening und Jamie Bell verfilmt wurde. Barbara Broccoli, die Produzentin der Bond-Filme, und Colin Vaines waren die treibenden Kräfte, die diesen Stoff auf nun die Leinwand gebracht haben.
»Ich wollte den Film schon 20 Jahre lang machen«, sagt die Produzentin. »Er bedeutet mir sehr viel. Ich kannte Gloria und Peter, als sie zusammen waren.« Doch auch wenn die Produzenten das Drehbuch von Matt Greenhalgh loben, so leidet man doch als „geübter“ Betrachter unter der Vorhersehbarkeit der Geschehnisse, auch wenn man von ihnen nichts wusste.
»Don't be daft!«
Der schottische Regisseur Paul McGuigan, der mit Filmen wie Gangster Nr. 1 und Lucky Number Slevin von sich reden machte, und mit dem Zeitreisethriller Push (wegen seiner Vorhersehbarkeit) 2009 floppte, meldete sich nach einer kreativen Pause 2015 mit Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn mit Daniel Radcliffe und James McAvoy auf der Leinwand zurück. Er bewies zwar 2004 mit dem Liebesdrama Sehnsüchtig, dass er auch Romanze kann, doch mit Film Stars don't die in Liverpool machte er sich keinen Gefallen - mit kleinen Ausnahmen.
Lässt man die Vorhersehbarkeit außen vor, besitzt der Film ein paar wirklich niedliche Schmankerl - wie Peters Familie: Muttern (in klassischem Hausfrauenlook) hat Bedenken, ihren am anderen Ende der Welt lebenden dritten Sohn zu besuchen, Vater bastelt an einem Fernseher, den er auf dem Müll gefunden hat, und Bruder Joe jr. (mit klassischer Lockenmatte) ist derjenige, der mit Humor und Sachlichkeit auf die Familienmitglieder einredet.
Und dank Annette Bening kann man auch nachvollziehen, warum sich Peter in Gloria verliebt hat. Ihre laszive Stimme wirkt sehr verlockend und passt vollends zu dem Rollentyp Glorias in ihren Filmen. Dagegen wirkt Jamie Bell die ganze Zeit eher lustlos, und man bekommt den Eindruck, er wolle das nicht wirklich spielen. Ganz genial gemacht sind dagegen die Rückblenden, bei denen Peter z.B. eine Tür öffnet, die plötzlich in die Vergangenheit führt.
Paul McGuigan verbeugte sich außerdem vor Gloria Grahams Filmografie, indem er Rückprojektionen benutzte - eine Technik, die in vielen ihrer Noir-Filme Anwendung fand. Ein Beispiel dafür ist die Szene mit den Turteltäubchen am Strand von Malibu - eine Referenz an einen klassischen Grahame-Bogart-Moment in Ein einsamer Ort. Doch all das kann die schwächelnde Dramaturgie nicht ausgleichen. Der Film wirkt oft recht eintönig, kann selten Witz und erst recht keine Spannung aufbauen, weshalb ich den Film eigentlich nur als Schlaftablette empfehlen kann. ■ mz
5. April 2018
Drama
GB 2017
106 min



mit
Jamie Bell (Peter Turner)
Annette Bening (Gloria Grahame)
Stephen Graham (Joe Turner jr.)
Julie Walters (Bella Turner)
Kenneth Cranham (Joe Turner)
Vanessa Redgrave (Jeanne McDougall)
Frances Barber (Joy)
Peter Turner (Jack)
Leanne Best (Eileen)
u.a.

drehbuch
Matt Greenhalgh
nach dem Buch von Peter Turner

musik
J. Ralph

kamera
Urszula Pontikos

regie
Paul McGuigan

produktion
Sony Pictures Classics
IM Global
LIONSGATE UK
Eon Productions
Synchronistic Pictures

verleih
Sony


vorspann
Bilder einer Filmrolle im Vorlauf mit Namen und Titel

abspann
Originalszene Oscar®-Verleihung, dann rollender Abspann

erwähnung
keine