Freitag, 29. März 2024
Der tote Stalin umgeben von seine engsten Vertrauten
© Concorde Filmverlein
Josef Stalin hatte die Sowjetunion fast drei Jahrzehnte lang als Alleinherrscher regiert. Als er am 2. März 1953 einen Schlaganfall erlitt, begann sofort ein erbitterter Kampf um seine Nachfolge. Seine Untergebenen ließen nichts unversucht, um ihre Rivalen auszuschalten und die beste Ausgangsposition zu erobern, bevor der Diktator starb. Zwei Tage lang rangen sie um die Macht – getrieben von Eigennutz und Feigheit, von Wahnsinn und nackter Unmenschlichkeit.
Diese unglaubliche, aber wahre Geschichte inspirierte Fabien Nury und Thierry Robin zu ihrem Bilderroman „The Death of Stalin“ und der Fortsetzung „The Funeral“. Die Franzosen Yann Zenou und Laurent Zeitoun, Produzenten des Welterfolgs Ziemlich beste Freunde, kauften die Rechte an beiden Werken und gingen mit dem Stoff auf Armando Iannucci zu. Der Drehbuchautor und Regisseur hatte die bissige Fernsehserie The Thick of It (2005-2012) und den Oscar®-nominierten Film Kabinett außer Kontrolle geschaffen, die beide die Mechanismen der britischen Politik auseinandernehmen, sowie Veep – Die Vizepräsidentin, die preisgekrönte Serie über eine fiktionale Vizepräsidentin der USA und ihren Stab.
»Alle Figuren sind brutal und aggressiv, aber während man manche verabscheut, wird man mit anderen sogar warm«, sagt Armando Iannucci. »Ich wollte, dass das Publikum daran erinnert wird, dass die Handlungen und Entscheidungen dieser Figuren verheerende Auswirkungen auf das Volk hatten. Ich wusste, dass wir sehr respektvoll mit der Tatsache umgehen müssen, dass Millionen Menschen getötet wurden oder verschwanden, und dieser Tatsache kann man weder aus dem Weg gehen, noch kann man sie in einem Witz vermitteln. Der Zuschauer muss sich dieser Tatsache in jedem Moment des Films bewusst sein.«
»The Central Committee is handling things now!«
Leider macht er es doch - das Geschehene mit Witz vermitteln. Gleich zu Beginn des Films übergibt der Diktator seinem Sicherheitschef Lawrenti Beria eine Liste von Menschen, die im Folgenden verhaftet werden. Zeitgleich hört er im Radio ein klassisches Konzert, das ihn so sehr mitreißt, dass er einen Livemitschitt davon haben möchte. Doch die Techniker vor Ort sind von der Wichtigkeit überfordert, haben nicht damit gerechnet und demzufolge auch keine Aufnahme.
Noch während die Gäste den Saal verlassen, werden diese zum Bleiben gezwungen, doch einige waren schon gegangen. Das Konzert muss wiederholt werden! Also holt man schnell Leute von der Straße, um den Saal akustisch aufzufüllen, doch der Dirigent stolpert im Tonstudio und wird dabei außer Gefecht gesetzt. So muss man auch erst noch einen anderen Dirigenten herholen, der eiligst herbeigeschafft wird - im Schlafanzug!
»Our best doctors are in the Gulag or dead.«
Diese Situation zeichnete die Wahnwitzigkeit jener Zeit. Auch später vermochte niemand in einem kommunistischen Land etwas Schlechtes über Funktionäre laut auszusprechen, in Angst, ein Verantwortlicher könnte irgendwo über ein verstecktes Mikrofon mitgehört haben. Das war aber auch schon das Einzige, was einigermaßen lustig daherkommt.
Den Rest des Films über bleibt einem eher das Lachen im Halse stecken - nicht nur durch die Kontradiktion zwischen Wahn und Witz, auch durch das schlechte Timing der Witze oder der oft eher schlecht als recht inszenierten Situationskomik. Viele Handlungsszenarien entsprechen der Wahrheit, auch wenn sie noch so absurd scheinen. Armando Iannucci ließ seine Schauspieler diese Absurditäten mit trockenem Humor auffüllen, was jedoch irgendwie unlustig ist und man irgendwie aus der Szene heraus gehen möchte.
Sicher, man merkt zwar, dass die Schauspieler ihren Spaß bei der Geschichte hatten, doch dieser überträgt sich leider nicht auf das Publikum. Man möchte eigentlich, wie beim Konzert am Anfang, das Ganze nochmal lustig sehen. Auch sind die Dialoge mit Phrasen aus heutiger Zeit gefüllt, was der Authentizität und dem Humorverständnis schadet. Da hilft es auch nicht, dass man Vieles auch tatsächlich in Russland gedreht hat.
»I need a Vodka!«
Zudem wirken auch die Schauspieler größtenteils überschminkt, was ins Auge fällt und zusätzlich ablenkt. Auch die Beleuchtung wirkt oft etwas surreal, als wenn man zu viel Geld für die namhaften Schauspieler ausgegeben hat und sich keinen professionellen Stab mehr hatte leisten können. Das ganze Werk wirkt wie ein billig dahingeschusterter TV-Film. Einige Schauspieler spielen ihre Rollen mit Bravour, andere wiederum einen Tick zu überdreht.
Es gibt hier auch so gut wie keine Identifikationsfiguren. Lediglich der von Paddy Considine gespielte Tonaufnahmeleiter und die von Olga Kurylenko gespielte, emotionell unglaublich starke Pianistin, die Stalin mit einem Zettel ihre Meinung „geigt“, bringen frischen Wind in dieses doch eher trostlose Szenario, das sich genialer als die Wirklichkeit findet. ■ mz
26. März 2018

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The Death of Stalin
Kabinett außer Kontrolle
The Thick of It
Veep



Kinostarts 29. März

Ziemlich beste Freunde



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