Kinostarts Juli 2011
Alexander Payne, dessen Filme Election, About Schmidt und Sideways ihn in den USA zu einem unverwechselbaren Filmemacher gemacht haben, produzierte diese leichtfüßige Komödie über die Versicherungsbranche, genauer gesagt über einen Blick hinter die Kulissen derselbigen.
Es geht um die Geschichte eines kleinen, naiven Büromitarbeiters, der plötzlich die Chance bekommt, auf einer Convention von Versicherungsvertretern eine Auszeichnung zu ergattern. Doch schon bald merkt er, dass die „heile“ Versicherungswelt nicht so ganz das ist, was er sich immer vorgestellt hat.
Miguel Artetas entwaffnende Komödie führt ins Landesinnere der USA und im Mittelpunkt der Geschichte steht der 34jährige Versicherungsangestellte Tim Lippe, der sein Leben lang in der winzigen Ortschaft Brown Valley, Wisconsin, gelebt hat. Noch nie hat er das heimatliche Umfeld verlassen, doch plötzlich soll er am Versicherungskongress in Cedar Rapids teilnehmen, denn der ursprünglich dafür vorgesehene Starangestellte wurde nackt im Badezimmer mit einem Gürtel erhängt aufgefunden.
Bereits an der Stelle des Films erkennt man, wohin die Reise geht - in den Sündenpfuhl der Versicherungsbranche. Tim hat noch nie in einem Hotel gewohnt, und er war noch nie in einer Stadt wie Cedar Rapids, Iowa. Doch es gibt für alles ein erstes Mal. Und so wird er als Repräsentant seiner Firma zum jährlichen Kongress in eben diese Stadt geschickt, wo er die Bekanntschaft dreier Kongressveteranen macht, die ihn in die Feinheiten des Geschäftslebens einweihen wollen. Für jemanden, der immer strikt nach Vorschriften vorgegangen ist, eine höchst unkonventionelle Erfahrung...um nicht zu sagen eine erschreckende!
Der Trubel und die Hektik setzen ihm zu und seine Naivität lässt ihn von einem Fettnäpfchen ins nächste treten. Obwohl von der ganzen Situation überfordert, schließt er ungewohnte Freundschaften, muss sich neuen Herausforderungen stellen und wird auch sexuell in Versuchung geführt - mit dem Ergebnis, dass er endlich der Mann, der Kämpfer sein darf, der er immer schon sein wollte.
Tim trifft zunächst einen seiner beiden Zimmergenossen, den zuverlässigen, sittenstrengen Ronald „The Ronimal” Wilkes, der Tim einen richtigen Schrecken einjagt, als er ihn erstmals trifft. Isiah Whitlock jr., ein Broadwaystar, wurde zuletzt als Mitglied des Ensembles der wegweisenden HBO-Serie The Wire gefeiert. Eine schöne Idee war, dass er als „Ronimal“ ein geradezu besessener Fan eben dieser Serie ist.
John C. Reilly ist der dritte Mann der Gruppe, die sich ein Zimmer teilt. Er ist der lebhafteste des Trios. Reilly spielt Dean „Deanzie“ Ziegler, einen berüchtigten, wortgewaltigen und ewig Sprüche klopfenden Versicherungsvertreter, vor dem man Tim Lippe im Vorfeld gewarnt hat. Und nun muss er ausgerechnet mit ihm ein Zimmer teilen...
»John spielt Dean ganz wunderbar«, lobt ihn Miguel Arteta. »Man weiß zu Beginn wirklich nicht, ob man diesem Typ trauen kann oder nicht. Ist er ein rücksichtsloser Karrierist oder tief im Inneren ein aufrechter Kerl? Ein Teil des Filmspaßes besteht darin zuzusehen, wie sich die Beziehung zwischen Dean und Tim entwickelt.«
Fehlt nur noch die letzte Person dieser bunt zusammen gewürfelten Truppe: Joan Ostrowski-Fox, die von Anne Heche gespielt wird. Sie ist eine rothaarige Sirene, die nach Cedar Rapids gekommen ist, um sich wieder einmal die Hörner abzustoßen – und sie erwählt Tim Lippe als Objekt ihrer Begierde.
Eine Schlüsselrolle kam auch der Besetzung von Tims Freundin zu, jener Frau, die zu Hause in Wisconsin an seiner Seite steht. Macy Vanderhei, so heißt sie, war auch seine Lehrerin in der siebenten Klasse. Aber während Tim glaubt, dass es ihr Schicksal ist, „vor-verlobt“ zu sein, beharrt Macy darauf, dass die ganze Beziehung nicht mehr als ein harmloses, wenn auch vergnügliches Techtelmechtel ist.
»Sigourney [Weaver] war die perfekte Besetzung für die Rolle, weil sie so eine komplexe Persönlichkeit besitzt«, berichtet Arteta. »Macy ist nicht die stereotype, verschüchterte Kleinstadtlehrerin. Sie ist klug, weltgewandt und weiß, was sie will – und Sigourney ist in diesem Part zum Schreien komisch! Sie hat sich kopfüber in die Rolle hineingestürzt und sich dabei ungeheuer amüsiert. Ich glaube, ihre Figur gibt dem Film noch mehr Tiefe.«
Willkommen in Cedar Rapids ist eine herrlich schräge Komödie mit ebensolchen Figuren, die die eine oder andere Anekdote aus der Versicherungszunft mit auf den Weg gibt. Vor allem kommt es einem am Ende so vor, als würde man selbst auch die Heimreise antreten. Aber dafür kann man sich den Film später nochmal auf DVD ansehen und erneut den Kongress besuchen. Und um es mit Joans Worten zu sagen: „Was auch immer in Cedar Rapids geschieht, bleibt in Cedar Rapids!“ ■ mz