Interview mit Tommy Krappweis
� Constantin/Getty Images/Gisela Schober
Tommy Krappweis wurde 1972 in M�nchen geboren. In der zweiten Klasse stand er zum ersten Mal auf der B�hne, um Karl Valentin zu spielen. Ein Jahr sp�ter drehte er seinen ersten Stop-Motion-Film mit der Super-8-Kamera seines Vaters und adaptierte auf der Schreibmaschine Ellis Kauts �Pumuckl und die Grippetabletten� f�r ein Theaterst�ck.
Sein Vorbild ist Buster Keaton, weshalb er schon als kleiner Junge unerm�dlich Slapstick-St�rze �bte. Mit 14 Jahren sang er in Bayerns j�ngster Rock�n�Roll-Formation und sprach in diversen Kinderh�rspielen. Zwei Jahre sp�ter hatte er seine erste Fernsehrolle in der Serie Forsthaus Falkenau. Es folgte eine Rolle in SOKO 5113, wo er zum ersten Mal auch K�rperstunts vor der Kamera ausf�hrte.
Nach der Realschule besuchte er die M�nchner Fachoberschule f�r Gestaltung, stellte eigene Comics aus und machte Stra�enmusik in der M�nchener Fu�g�ngerzone. Nach dem Abschluss arbeitete er in der Westernstadt No Name City in Poing bei M�nchen. Er begleitete den durch Deutschland tingelnden Western-Zirkus Red Grizzly Saloon, schrieb und choreographierte die Stuntshows und arbeitete im Hansa-Park als �Buster-Keaton�-Double und Stuntman. 1992 gr�ndete er die Band Harpo Speaks!!, mit der er bis heute regelm��ig auftritt. 1994 moderierte er sieben Monate lang das SuperRTL-Magazin Disney TV und arbeitete daf�r auch in Walt Disney World Florida, kehrte aber sp�ter als Slapstick-Komiker und Stuntman zum Red Grizzly Saloon zur�ck.
Im Herbst 1995 stie� Tommy Krappweis zum Ensemble der h�chst erfolgreichen Comedyreihe RTL Samstag Nacht und etablierte dort unter anderem mit Mirco Nontschew die neue Rubrik �Far out�. Dabei nahm er immer �fter auch den Platz hinter der Kamera ein, um die Beitr�ge zu schreiben, zu drehen und zu schneiden. Mit seiner neugegr�ndeten Produktionsfirma bumm film drehte er Einspieler mit Wigald Boning und lieferte sie geschnitten und vertont bei RTL Samstag Nacht ab.
Gemeinsam mit Norman C�ster erfand er die KiKA-Kultfigur �Bernd das Brot� und erhielt daf�r 2004 den Grimme-Preis. Er war als Autor und Regisseur ma�geblich beteiligt an der ProSieben M�rchenstunde und mehreren �Funny Movies�. Im September 2009 ver�ffentlichte er seinen ersten Roman �Mara und der Feuerbringer�, den Auftakt einer Fantasy-Trilogie, die er 2010 und 2011 mit den B�nden �Das Todesmal� und �G�tterd�mmerung� abschloss. Aus vielen Lesungen, die Krappweis bundesweit hielt, entwickelte sich das eigenst�ndige Comedy-Programm �Und Jesus sprach: Macht was mit Hasen...�.
2012 verarbeitete er in dem biografischen Buch �Das Vorzelt zur H�lle� die traumatischen Campingurlaube seiner Kindheit. Mit seinem Vater Werner und anderen Verwandten machte er aus den Erinnerungen und alten Super-8-Filmen der Familie auch die Fernsehserie Das Vorzelt zur H�lle. Im August 2013 folgte ein weiteres biografisches Buch: �Vier F�uste f�r ein blaues Auge�, �ber die Zeit in der Westernstadt No Name City.
Ist Mara ein weiblicher Harry Potter?
Harry ist ein klassischer Held, aber den wollte ich in meinem Buch, ehrlich gesagt, eher vermeiden. Ich wollte eine Heldin, die an sich und ihrer Gabe zweifelt, das aber mit jeder Menge Humor. Hier hat mich eher ein anderes Fantasywerk beeinflusst: Steven R. Donaldsons �The Chronicles of Thomas Covenant: The Unbeliever�. Da lebt der Held im Hier und Jetzt, wechselt aber nach einem Unfall pl�tzlich in eine Fantasywelt und will das einfach nicht glauben. Ein bisschen von diesem Unbeliever steckt auch in Mara.
Sie haben bei Ihren Romanen und jetzt auch bei der Verfilmung eng mit Professor Rudolf Simek von der Universit�t Bonn zusammengearbeitet. Schlie�en sich Fantasy und wissenschaftliche Korrektheit nicht per se aus?
Nicht unbedingt. �Mara und der Feuerbringer� ist Fantasy, aber die Geschichte bewegt sich im Gegensatz zu �Harry Potter� in einem Universum, das auf einer Religion basiert, an die fr�her viele Menschen geglaubt haben. Im Grunde ist das ja auch bei �Percy Jackson� so, nur wollte ich eben nichts behaupten, das nicht dem heutigen Forschungsstand �ber die nordisch-germanische Mythologie entspricht.
Woher kam dieser Anspruch?
Nachdem ich Dan Browns �Da Vinci Code� gelesen hatte, machte ich mir die M�he, seine Theorie zu �berpr�fen. Dabei stellte ich fest, dass er im Grunde vorgeht wie die meisten Verschw�rungstheoretiker: Er behauptet etwas und findet sehr viele Gr�nde, die daf�r sprechen. Aber wesentliche Dinge, die dagegen sprechen, verschweigt er. Sobald ich als Leser auch nur eine einzige kritische Frage stelle, bricht das Konstrukt in sich zusammen. Das ist v�llig legitim und ich habe gro�e Freude an seinen B�chern, aber bei meiner Geschichte wollte ich versuchen, das zu vermeiden. Ich wusste damals allerdings nur wenig �ber germanische Mythologie. Also habe ich Professor Simek mein erstes Expos� geschickt.
Wie hat er reagiert?
Er hat gro�e, professorale Querstriche �ber die ganzen Seiten gezogen und zum Schluss sinngem�� geschrieben: �Alles Schmarrn. Gr��e. Rudy�. Da musste ich halt durch und habe erst einmal meterweise Fachliteratur studiert, die er mir empfahl. Oft haben mir seine Hinweise auch inhaltlich weiter geholfen. Zum Beispiel war ich ganz stolz, als ich so ein sch�nes historisches Detail wie den Suebenknoten einarbeiten konnte. Da meinte der Professor: Nein, das geht nicht, Loki hatte keinen Suebenknoten, da liegst Du ein paar hundert Jahre daneben. Das habe ich dann genau so in die Geschichte eingebaut. Unsere Zusammenarbeit war also ein kreatives Geben und Nehmen. Meistens ein Geben. [lacht]
Worin bestand Professor Simeks Mitarbeit an der Verfilmung?
Wir haben jedes Kost�m und jedes Requisit von ihm und seiner Assistentin Daniela Blanck abnehmen lassen. Auch die Aussprache der nordischen S�tze wurde von Professor Simek vorgegeben. Er hatte sie ja schon f�r den Roman aufgeschrieben, aber f�r den Film wurden sie auf Band gesprochen, damit die Schauspieler sich strikt daran halten konnten. Manchmal musste er auch via Handy mal eben etwas �bersetzen und vorsprechen, damit Christoph Maria Herbst es am Set drei�ig Sekunden sp�ter �berrascht ausrufen konnte. Vieles klingt wie bei Der Herr der Ringe, nur mit noch mehr Lispel-Lauten.
War Ihnen schon beim Schreiben der Romantrilogie klar, dass daraus ein Film wird?
Klar war mir das nicht. Aber ich hatte nat�rlich den Wunsch und freute mich �ber jede H�rde, die wir auf dem Weg zum Ziel nehmen konnten. Unser Producer Alexander Dannenberg hat immer mal wieder gesagt: Tommy, jetzt k�nnen wir eine Flasche aufmachen! Ich blieb aber skeptisch, denn es kam immer wieder was dazwischen. Im Grunde h�tten wir f�nf oder sechs Flaschen aufmachen m�ssen. Dabei mag ich �berhaupt nichts, was blubbert. Au�er Whirlpools.
Die Filmstiftung NRW und der FFF Bayern haben jeweils die maximale F�rdersumme von einer Million Euro gegeben. Wie haben Sie die �berzeugt?
Wir haben sehr fundierte Antr�ge mit vielen Zusatzinfos verschickt. Eben nicht nur das Drehbuch und �Wir h�tten gern�, sondern eine Auflistung der vielen Vorteile, wozu nicht nur der Lerneffekt, sondern eben auch die breitgef�cherte Zielgruppe geh�rt: Jugendliche, Erwachsene, Kinder, au�erdem alle Fantasy-Fans, Live-Rollenspieler, Reenactment-Fans, Mittelaltermarktbesucher und sogar die Gaming Community. Nicht erst seit Bernd das Brot ist es mein Steckenpferd, Dinge zu machen, an denen alle Spa� haben. Mara und der Feuerbringer ist in dieser Hinsicht wie Bernd das Brot. Die jungen Zuschauer haben ihren Spa� daran, obwohl sie nicht jede Pointe verstehen, und die Erwachsenen denken: Das ist ja gar nicht f�r Kinder gemacht, sondern f�r mich! Dabei ist es halt in Wahrheit f�r alle. Es denkt nur jeder, es sei f�r ihn ma�geschneidert.
Wie streng h�lt sich der Kinofilm an die literarische Vorlage?
Leser des Buches werden alle Figuren und 80 Prozent der Handlung wiedererkennen. Die restlichen 20 Prozent sind neu oder variiert, weil ich nat�rlich nicht alles unterbringen kann und verdichten musste. Trotzdem wollte ich alle M�glichkeiten des Kinos nutzen und hatte beim Schreiben des Drehbuchs neue, bessere Ideen. Eine Verfilmung, die sich sklavisch an die Vorlage h�lt, ist genauso daneben wie eine Verfilmung, die den Appeal des Buches ignoriert. Ich wollte, dass meine Figuren und die Handlung erhalten bleiben, bei den Locations war ich weniger streng. Aus organisatorischen Gr�nden w�tet der Lindwurm zum Beispiel nicht auf der Ludwigsbr�cke, sondern im Brunnenhof der M�nchner Residenz.
Der Lindwurm, der Feuerbringer und alle anderen Spezialeffekte wurden vom Amerikaner John Nugent beaufsichtigt, der auch an Der Herr der Ringe und Die Chroniken von Narnia mitgearbeitet hat. Wie kam dieser Kontakt zustande?
Unser Vorteil ist, dass nicht der gesamte Film in der mythologischen Welt spielt, aber vor allem in der zweiten H�lfte gab es f�r die Visual-Effects-Kollegen jede Menge zu tun. Wir wussten, man w�rde uns mit den zwanzigmal teureren Produktionen aus Hollywood messen und wir waren entschlossen, diese Herausforderung anzunehmen. Was lag also n�her, als zu schauen, welche Macher dieser gro�en Filme wir bekommen konnten? Der Kontakt zu John Nugent war vom ersten Moment an vielversprechend, weil er sagte, dass er m�glichst viel �in echt� drehen will. Die meisten anderen Leute waren absolute Digitalfreaks. Ich mag aber keine Filme, die wie Computerspiele aussehen.
John hat uns viele Beispiele aus Der Herr der Ringe gezeigt. Die kleinen Wassertr�pfchen, wenn Gollum einen Fisch f�ngt, oder die Bewegung der Bl�tter auf dem Boden, wenn er dar�ber l�uft... Das alles haben sie wirklich gedreht! Das war auch unser Ansatz. Wir haben mit Drahtseilen B�nke und Tische umgeworfen oder �ste abgebrochen, echten Staub aufgewirbelt und erst hinterher den Verursacher der realen Verw�stungen eingebaut. Viele dieser Elemente haben wir auch w�hrend der Postproduction spontan auf der Terrasse gedreht. Die �feuchte Aussprache� vom Lindwurm erledigte John mit Spritzern aus einer Pumpflasche mit Fensterreiniger.
Stimmt es, dass Sie f�r den Film extra ihre eigene Special-Effects-Firma gegr�ndet haben?
Ja. F�r TV-Produktionen wie Die ProSieben M�rchenstunde und die �Funny Movies� haben wir in der bumm film zwar auch schon die Visual Effects gemacht, aber Mara und der Feuerbringer war eine gute Gelegenheit, die Tochterfirma BigHugFX zu gr�nden und das Ganze auf internationales Niveau zu heben. John Nugent zieht sogar in Erw�gung, nach M�nchen zu ziehen, da seine Kinder in den USA bald mit der Schule fertig sind. Die BigHugFX ist zur Zeit gut ausgelastet, witzigerweise kaum durch deutsche Produktionen, sondern durch mehrere Jobs f�r Hollywood. Das ist f�r uns nat�rlich ein Ritterschlag.
Nach welchen Kriterien haben Sie Mara und der Feuerbringer besetzt. Oder anders gefragt: Wie besetzt man G�tter?
Beim Halbgott Loki wusste ich von vornherein, dass nur Christoph Maria Herbst die Rolle spielen kann. Ich hatte ihn schon beim Schreiben des ersten Buches vor Augen und im Ohr. Er kann blitzschnell umschalten zwischen Ernsthaftigkeit und treffender Pointe. Christoph w�re auch im echten Leben ein toller Loki, obwohl ich nicht wei�, ob er sich �ber dieses Kompliment freut. Bei der G�ttin Sigyn fiel mir fr�h Eva Habermann ein, die ich seit unser beider Anf�nge im Kinderfernsehen kenne. Sie ist der nordische Typ und strahlt sofort etwas Majest�tisches aus, wenn man sie im Kost�m sieht.
Jan Josef Liefers war meine erste Wahl f�r Professor Weissinger. Er bringt genau die Ruhe und den Humor mit, die es f�r die Rolle braucht. Auch seine Stimme klingt so, wie ich sie mir beim Schreiben vorgestellt habe. Das Sch�nste ist, dass alle, die ich besetzen wollte, zwei Tage nach Erhalt des Drehbuchs sagten: �Ich mach's! Wann drehen wir?�
F�r Hauptdarstellerin Lilian Prent ist es der erste Kinofilm. Wie hat sie sich geschlagen?
Gro�artig. Vor allem hat sie sich problemlos auf die verschiedenen Spielweisen der Kollegen eingestellt. Christoph Maria Herbst geh�rt zu jenen Schauspielern, die ihre Texte wortw�rtlich wiedergeben, wie sie im Drehbuch stehen. Das war angesichts von Lokis historisierenden und sorgf�ltig gedrechselten Satzsch�pfungen auch gar nicht anders m�glich. Bei Jan Josef Liefers ist dagegen jeder Take anders. Er spielt die Rolle so, wie er sie gerade sp�rt, und w�hlt daf�r die passenden Worte. Es war beeindruckend, zu sehen, wie Lilian sich auf beide Ans�tze einstellen konnte und beiden Schauspielern genau das zur�ckgegeben hat, was sie f�r ihre Rollen brauchten.
Hat Mara und der Feuerbringer eine Botschaft?
Eine direkte Botschaft vielleicht nicht, aber ich w�rde mich freuen, wenn der Film dabei hilft, dass Zuschauer aller Altersgruppen ihr Interesse an der nordisch-germanischen Mythologie entdecken. Und zwar weitab vom ganzen Nazi-Mist, der f�lschlicherweise an ihr haftet, seit die Nationalsozialisten die Germanen zu Propagandazwecken missbraucht haben. Vielleicht kann der Film, genau wie die Romantrilogie, dabei helfen, den Ruf wieder reinzuwaschen.
Das w�rde mich sehr freuen und Professor Simek vermutlich auch. Dass der Film kein reines Visual-Effects-Gewitter ist, war mir von Anfang an wichtig, und auch, dass Mara als Mobbing-Opfer letztlich Frieden schlie�t mit ihrer Nemesis Larissa. Au�erdem vereint der Film ja die Fantasyfans und die historisch exakten Reenactors, die Mittelalterfans und die Live-Action-Rollenspieler. Gerade diese Leute liegen mir sehr am Herzen. Ich w�re gl�cklich, wenn sie sp�ren, dass dieser Film sie alle ernst nimmt. ■ mz | Quelle: Arsenal