Dienstag, 10. Dezember 2024
Call me by your Name
Die Perlmans und Oliver entspannen an einem schattigen Plätzchen.
© Sony Pictures

»Ich denke gern, dass Call me by your Name nach I am Love und A bigger Splash eine Filmtrilogie ums Verlangen beendet«, sagt Regisseur Luca Guadagnino über seinen Film. »Während in den früheren Filmen Verlangen zu Besitz, Bedauern, Verachtung und Verlangen nach einer Befreiung führte, wollten wir in Call me by your Name eine Idylle der Jugend untersuchen. Elio, Oliver und Marzia sind in eine wunderschöne Verwirrung verstrickt, die Truman Capote einst mit „Liebe hat keine Geografie, kennt keine Grenzen“ beschrieben hat.«

Es ist ein europäischer Film. Er spielt in Italien, die Familie hat amerikanische, französische, wie auch italienische Einflüsse, weshalb auch alle drei Sprachen im Film gesprochen werden, sehr zur Irritation der Zuschauenden, denn manchmal springt eine Konversation zwischen allen Sprachen umher. Da helfen schon die Untertitel. In einer deutschen Synchronfassung geht jedoch der internationale Aspekt flöten, was zur Folge hat, dass man sich dann noch mehr auf die Handlung konzentriert.

»You should relax more!«

Der altkluge 17-jährige Elio Perlman genießt den norditalienischen Sommer des Jahres 1983 auf der im 17. Jahrhundert errichteten Villa der Familie. Seine Zeit verbringt der Junge damit, klassische Musik zu spielen und zu transkribieren, zu lesen und mit seiner Freundin Marzia zu flirten. Mit seinen Eltern ist Elio eng verbunden. Sein Vater Samuel ist ein angesehener Professor, der sich auf die griechisch-römische Kultur spezialisiert hat. Elios Mutter Annella arbeitet als Übersetzerin.

Gemeinsam bringen sie ihrem Sohn die Errungenschaften der Hochkultur nahe und bereiten ihm ein sorgenfreies Leben mit allen Vorzügen. Dank seiner Weltklugheit und seinen intellektuellen Begabungen wirkt der Junge nach außen bereits wie ein Erwachsener, doch dem Anschein entgegen ist Elio in mancherlei Hinsicht durchaus noch sehr unerfahren, besonders in Herzensangelegenheiten.

Eines Tages trifft der 24-jährige amerikanische Doktorand Oliver als neuer Sommerpraktikant von Elios Vater Auf dem Anwesen ein. Inmitten jener prächtigen, sonnengetränkten Szenerie entdecken Elio und Oliver im Verlauf des Sommers, der ihre Leben für immer verändern wird, die berauschende Schönheit eines aufblühenden Verlangens.

»Later!«

Der Film zeichnet ein recht entspanntes Bild: Sommer, die 80er, die Sonne scheint, es ist warm. Man fährt viel mit dem Rad, geht schwimmen, auch mitten in der Nacht. In diese entspannten Bilder wird die geschlechtliche Orientierungsfindung eines Teenagers gesetzt, die mit viel Sinnlichkeit und Erotik erzählt wird. Der Film lebt vom Ambiente, in das der Regisseur viel Herzblut steckte, aber auch vom Spiel der beiden Hauptdarsteller.

Es gibt drei Sachen, die sich durch den ganzen Film ziehen und immer wieder auftauchen - Judentum, Aprikosen und Fliegen. Während die Aprikose stimmungsaufhellend oder aphrodisierend wirken mag, dient sie letztlich als Sex-Objekt, während das Auftreten der Fliegen in den Naheinstellungen Zufall sein kann, dann aber in der letzten Einstellung mit Elio im Winter am Kamin eher unwahrscheinlich erscheint und somit die Absicht unterstellt wird, eine bestimmte Symbolik zu besitzen.

In der Traumdeutung steht die Fliege für ein Gefühl der Orientierungslosigkeit, auch für ein immer wiederkehrendes Problem mit einer anderen Person, welches endlich dauerhaft gelöst werden sollte. So könnte etwa Elios inneres Dilemma darauf schließen. Immerhin scheint sich niemand im Film an den Fliegen zu stören, ebenso wenig im Wind klappernde Türen, was den Film wiederum wie einen Traum erscheinen lässt.

Und dann wäre da noch das Thema Judentum. Warum wurde es so stark betont? Es hat nicht nur auf die Handlung keinen direkten Einfluss, auch hat man Schwierigkeiten, Armie Hammer als Juden zu sehen. Da er schon rein äußerlich nicht jüdischer Abstammung ist, ist anzunehmen, dass Oliver den Glauben angenommen hat und ihn, bis auf die Davidsternkette, die er um den Hals trägt, im Film auch nicht sonderlich lebt.

So erotisierend Armie Hammer im Film auch wirken mag, nimmt man ihm jedoch weder den Juden ab, noch die Tatsache, dass seine Figur erst 24 sei! Auch die Kameraführung in den Szenen, in denen die beiden Herren zur Sache kommen, ist klischeebehaftet mit Unschärfe besehen, oder die Kamera dreht sich weg. Hauptfigur Elio wirkt außerdem so unsympathisch, wie man sich so ein verwöhntes intellektuelles Kind so vorstellt.

Die einzig wahrhaftige Botschaft des Films braucht knappe zwei Stunden, wenn Elios Vater seinem Sohn sagt, dass er ihn verstehe und bewundert und immer für ihn da sei, ein offenes Ohr hat, vor allem, weil er aus eigener Erfahrung spricht und nicht möchte, dass sein Sohn dieselben Abstriche im Leben machen muss wie er. Ob das allein eine Auszeichnung rechtfertigt, sei dahingestellt. Call me by your Name ist ein netter und leichter Sommerfilm, der allerdings nur jenseits der Handlung überzeugen kann. ■ mz

30. Januar 2018

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