Split
Nach seinem Ausflug ins Fernsehen, meldet sich Autor/Regisseur/Produzent M. Night Shyamalan wieder im Kino zu Wort. Nach dem überragenden letztjährigen Erfolg The Visit arbeitet er dabei erneut mit dem Produzenten Jason Blum zusammen, um jetzt jenen Thriller in die Kinos zu bringen, der als „Shyamalans bisher gruseligster Film“ gefeiert wird. Um dem Einhalt zu gebieten schon mal vorweg: bei weitem nicht so gruselig wie The Visit!
Kevin hat seiner vertrauten Psychiaterin Dr. Fletcher Beweise für seine 23 Persönlichkeiten geliefert, die auch körperlich jeweils unverwechselbare Merkmale haben. Doch eine weitere hält sich noch verborgen, um jetzt an die Oberfläche zu drängen, und alle anderen zu dominieren. Kevin sieht sich gezwungen, drei Teenagerinnen zu entführen. Aufrührerin der Clique ist die eigensinnige, sehr aufmerksame Casey. Aufgrund dieser Situation beginnen sich die in Kevin enthaltenen Persönlichkeiten untereinander zu bekriegen, und als er die Kontrolle über sich völlig verliert, greift dieser innere Krieg auch auf seine Umwelt über.
»Mit jedem einzelnen meiner Filme will ich etwas Neues kreieren – etwas, das noch niemand zuvor gemacht hat«, sagt Herr Shyamalan. »Ich finde das spannend, aber es ist auch gefährlich und problematisch, vor allem, wenn der Film in aller Welt in die Kinos kommen soll.« Als Geschichtenerzähler kombiniert M. Night Shyamalan umfangreiche Recherchen mit reiner Fantasie. Seine Filme im Grusel- und übernatürlichen Genre bedienen sich in geheimnisvollen und faszinierenden Sphären als Ausgangspunkt für seine Vorstellungskraft, um dann einfach zu fragen: „Was wäre, wenn...?“
Der Filmemacher erklärt: »Ich gehe von etwas aus, was uns vertraut ist, und versetze es in ein fantastisches Reich. Ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn im Fall einer dissoziativen Identitätsstörung jede einzelne dieser Persönlichkeiten hundertprozentig von ihrer Existenz überzeugt wäre. Wenn eine Persönlichkeit glaubt, dass sie an Diabetes oder zu hohen Cholesterinwerten leidet, kann der Körper sich dann chemisch verändern, um dieser Überzeugung zu entsprechen? Und was wäre, wenn eine Persönlichkeit davon überzeugt ist, dass sie über magische Kräfte verfügt? Wie sähe das aus?«
Während seines Studiums an der New Yorker Uni belegte er Kurse, in denen die dissoziative Identitätsstörung vorgestellt wurde, und im Lauf der Jahre hat die Faszination des Filmemachers mit den Theorien über diese Diagnose nie abgenommen. Als M. Night Shyamalan mit der Arbeit am Skript zu Split begann, las er eine Menge über die bestdokumentierten Fälle, und die Geschichten der Betroffenen regten seine Fantasie intensiv an. Im Vorfeld seiner übernatürlichen Geschichte sprach er mit Psychiatern vom Fach und ließ sich praktisch erklären, wie Therapeuten in Sitzungen mit Patienten dieses Krankheitsbildes vorgehen würden. Aufgrund dieser Fragestellung ergaben sich die Filmfiguren im Mittelpunkt: Kevin und Dr. Fletcher.
Gut, zu Beginn des Films ist es schon einmal spannend, mit anzusehen, wie Persönlichkeit Dennis die drei Mädchen entführt. Das ist derart dreist und zugleich clever, und man muss dreimal hinsehen, um James McAvoy mit seiner aktuellen Prof.-Xavier-Glatze und Brille zu erkennen. Er betäubt sie und sperrt sie dann in einen dunklen Raum mit Betten ein, in dem lediglich zwei Lämpchen an den Wänden leuchten. Fetisch-Dennis sieht gern nackten Mädels beim Tanzen zu. Zumindest ist es das, was der Zuschauer mitbekommt.
Was folgt, ist ein Katz-und-Maus-Spiel, denn Dennis ist nicht die ganze Zeit über Herr des Körpers, denn es gibt noch 22 andere Persönlichkeiten, die mehr oder weniger dominant erscheinen. Da wäre zunächst der (oder die) neunjährige Hedwig, der den Mädchen Essen bringt, den Casey versucht, mit Vernunft zu beschwichtigen, ihnen bei der Flucht zu helfen. Doch Hedwig hat Angst vor Patricia, der „Matriarchin“. Und dann ist da noch Kostümdesigner Barry, der oft mit der Therapeutin Dr. Fletcher kommuniziert.
Beim Lesen des Drehbuchs ließ sich James McAvoy begeistert mitreißen. Es kommt nicht oft vor, dass ein Schauspieler in nur einer Produktion neun verschiedene Charaktere abdecken muss. »Nach den ersten zehn Seiten dachte ich: Wow, was ist das denn?! Dann las ich zehn weitere Seiten und fragte: Und was ist das?!«, sagt der Schauspieler. »Ständig hatte ich das Gefühl, mit etwas völlig Neuem und Ungewöhnlichem konfrontiert zu werden. Genau deshalb bringen Nights Filme so viel Spaß. Er lässt die Zuschauer immer im Unklaren. Man fragt sich ständig, worum es im Film eigentlich geht: Ist das jetzt ein Thriller, ein Psychodrama, ein Horror- oder Science-Fiction-Film oder etwas Übernatürliches? Dieser Film kombiniert alle diese Genres.«
Science Fiction ist vielleicht ein wenig übertrieben, vielleicht in Anbetracht der medizinischen Wissenschaft ein Ansatzpunkt. Doch auch wenn James McAvoys Darstellung schon preisverdächtig ist, so fehlt dem Film das gewisse Etwas. Man fragt sich bis zum Ende des Films, worauf der Drehbuchautor hinaus will. Entführungsthriller kennt man zur Genüge, dass man in diesen Belangen nicht gerade überrascht wird.
Vor der Sichtung des Films wurde man von der Pressestelle gebeten, die Wendung im Film nicht zu verraten. Während der Sichtung dann offenbart sich erst einmal keine übliche Shyamalan-Wendung mit Aha-Effekt. Vielleicht war ja das die Absicht der Pressestelle, die Leute auf eine falsche Fährte zu locken. Man erwartet die Wendung, doch sie kommt nicht. Zumindest nicht so krass wie in manch anderen Filmen des Regisseurs.
Am Ende ist es dann die letzte Szene im Film, die tatsächlich dann doch noch Rätsel aufgibt, in der nämlich kein Geringerer als Bruce Willis auftaucht. Zunächst ist man als Zuschauer irritiert, was das solle. Erst wenn man die Figur, die er spielt, nachschlägt und in Bezug auf das Filmende mit Übermenschlichem zusammenbringt, dann ergibt das schon einen Sinn. Doch in Anbetracht dessen, dass die Figur David Dunn aus dem Splitterknochenthriller Unbreakable - Unzerbrechlich am Ende auftaucht, gibt es zu bedenken, dass M. Night Shyamalan eventuell eine eigene Superhelden-Filmreihe starten will? Im Bezug dazu ist trotz der großen schauspielerischen Leistung James McAvoys und dem markanten Spiel von Anya Taylor-Joy der Film bis dahin eher ein Psychospiel mit wenig Überraschungen. Erst wenn sich am Ende die Monsterpersönlichkeit offenbart, kommt ein wenig Spannung auf. Und dann will man plötzlich sehen, wie es weitergeht. Aber dann endet der Film einfach und man ist gespannt, ob und wann es eine Fortsetzung geben wird. ■ mz
16. Februar 2017
Thriller
USA 2017
118 min


mit
James McAvoy (Kevin Wendell Crumb)
Anya Taylor-Joy (Casey Cooke)
Betty Buckley (Dr. Fletcher)
Haley Lu Richardson (Claire Benoit)
Jessica Sula (Marcia)
Sebastian Arcelus (Caseys Vater)
Neal Huff (Claires Vater)
Rosemary Howard (Kevins Mutter)
Brad William Henke (Onkel John)
Robert Michael Kelly (Joe)
M. Night Shyamalan (Jai)
Bruce Willis (David Dunn)
u.a.

drehbuch
M. Night Shyamalan

musik
West Dylan Thordson

kamera
Michael Gioulakis

regie
M. Night Shyamalan

produktion
Universal Pictures
Blinding Edge Pictures
Blumhouse Productions
Dentsu
Fuji Television Network

verleih
Universal


vorspann
Logos, Prolog, Vorspann mit Mosaik-verspielten Texttafeln mit weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund, die mit Filmszenen voneinander getrennt sind

abspann
Titeleinblendung, Zusatzszene, rollender Abspann mit mitrollendem Live-Abspann-Mosaik im Hintergrund,

erwähnung
keine