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A most wanted Man


Der Arbeitsplatz eines Getriebenen: Günther Bachmann
© Senator Film

Die ehrbare Hansestadt Hamburg ist Tummelplatz nationaler und internationaler Geheimdienste, die nicht nur gefährliche Terroristen jagen, sondern sich auch gegenseitig belauern und ins Handwerk pfuschen. Dieser Ausgangspunkt der Geschichte erscheint absolut glaubhaft nach der Hysterie des Terroranschlags vom 11. September 2001, dessen Attentäter zum Teil aus Hamburg kamen, sowie nach den jüngsten NSA-Enthüllungen.

Und wer sollte es besser wissen als der Altmeister der Spinonageromane John le Carré („Der Spion, der aus der Kälte kam“, „Dame, König, As, Spion“, „Der ewige Gärtner“), der in seinem 2008 erschienenen Roman „A most wanted Man“ (Deutscher Titel: „Marionetten“) eine überzeugende Szenerie des allgemeinen Verdachts und des skrupellosen Spiels der verschiedenen Dienste entwirft, in dem alle handelnden Personen letztendlich fremdbestimmte Marionetten sind.

Der niederländische Regisseur Anton Corbijn (Control, The American) hat diese Geschichte packend und souverän verfilmt und bleibt dem Stil der Vorlage treu. Erwartungen an das Genre werden gut bedient, obwohl der Film statt auf äußere Action eher auf Charakterzeichnung und Atmosphäre setzt. Standorte und Ausstattung betonen den Kontrast zwischen der kühlen Eleganz der Machtzentralen und den nächtlich dunklen Straßen und Hinterhöfen, in denen ein Großteil der Handlung stattfindet.

In diesen Szenen ist die Handkamera den Protagonisten dicht auf den Fersen und zieht den Zuschauer in das Geschehen hinein. Insgesamt zeichnet sich Benoît Delhommes Bildgestaltung aber durch gedämpfte, düstere Farben aus, wobei die gekonnte Ausleuchtung interessante Akzente setzt. Dieser Look lässt Hamburg herbstlich kalt und nass erscheinen und trägt wesentlich zur melancholisch-mysteriösen Stimmung des Thrillers bei.

Die von Herbert Grönemeyer, der im Film ebenfalls eine kleine Rolle spielt, komponierte Filmmusik unterstreicht diese Atmosphäre, treibt aber gleichzeitig die Handlung voran. Im hochkarätigen internationalen Schauspielerensemble ragt Philip Seymour Hoffman heraus, der in seiner letzten Hauptrolle (mit starkem deutschen Akzent) den Agenten Günther Bachmann spielt, den Leiter einer halboffiziellen deutschen Anti-Terror-Einheit. Kettenrauchend, Kaffee und Whisky in sich hineinkippend, gibt er den Spion der alten Schule, der in der Welt herumgekommen ist, Erfolge und Misserfolge zu verzeichnen hatte und sich darüber eine sehr eigene Sicht der Welt und seines Berufes zulegte.

Den terrorverdächtigen Issa Karpow möchte er als Köder benutzen, um an die großen Fische, die Finanziers des internationalen Terrorismus, heranzukommen, denen er schon lange auf der Spur ist. Dazu muss er den Bankier Tommy Brue, der das Vermögen von Issas Vater verwaltet, und die idealistische Menschenrechtsanwältin Annabel Richter, die für Issas Aufenthalt streitet, für seine Zwecke instrumentalisieren.

Vor allem braucht er dafür aber Zeit, die ihm die anderen deutschen Dienste und die CIA-Agentin Martha Sullivan nicht geben wollen. Sie setzen auf den kurzfristigen Erfolg und nutzen ihrerseits Günther Bachmann als Köder, um Issa Karpow festzunehmen. Alle wollen aus politischen oder persönlichen Motiven die Welt „besser“ oder „sicherer“ gestalten. Alle haben ihre Tricks und ihre Schwächen, und alle spielen mit verdeckten Karten...

Das findet seine Entsprechung im minimalistischen Spiel der Darsteller. Neben Philip Seymour Hoffman, Willem Dafoe, Rachel McAdams und Robin Wright überzeugt die erste Garde der deutschen Schauspieler (falls man sie so nennen kann) in kleinen und kleinsten Rollen. Neben Nina Hoss als Günther Bachmanns Assistentin sind dies u.a. Daniel Brühl, der wortlos und mit Kopfhörern im Ohr Monitore beobachtet, der ebenso schweigsame Kostja Ullmann, Martin Wuttke, Rainer Bock (beide u.a. aus Inglourious Basterds bekannt) und Herbert Grönemeyer. Sie verleihen den Figuren Kontur und halten die komplexe Geschichte mit ihren vielen Verästelungen und Ränkespielen bis zum Schluss spannend.

─ Regisseur Anton Corbijn über Philip Seymour Hoffman ─

„Ich bin mir nicht sicher, wo ich anfangen soll, wenn ich das Vermächtnis von Philip anschaue, denn das ist derart überwältigend in seiner Breite und Tiefe. Aber genau das sagt einem schon eine Menge über seine Entscheidungen. Er war der beste Charakterdarsteller, den ich mir vorstellen kann, und wenn man sich nur die kleineren Rollen anschaut, die er verkörpert hat, dann lassen diese schon die Klasse für sich erkennen, in der er, verglichen mit seinen Zeitgenossen, agierte. Seine Stärke war es, in einer Rolle vollkommen aufzugehen, ebenso ein vollkommener Mangel an Eitelkeit. Dabei hasste er, was er liebte, das war sein Fluch – was seine Darstellungen anbelangt, gab er alles.

Es war meine Freundin Nimi, die nach der Lektüre des Drehbuches von A most wanted Man sofort vorschlug, ich solle ihn ansprechen. Rückblickend gesehen, war er der Einzige, der in Frage kam. Es war offensichtlich, dass er derjenige war, der diese Figur John le Carrés zum Leben erwecken konnte. Ich habe mir diesen Mann immer vorgestellt als einen, der eine ausgeprägte Physis besitzt, ebenso Intelligenz und eine gewisse Art von Führungsqualität.

Als Phil und ich den Film in einem frühen Stadium gemeinsam anschauten, konnte ich nicht glauben, dass der Typ, der da neben mir saß, dieselbe Person war wie die Figur auf der Leinwand. Der Glaube an die Realität seiner Figur war vollkommen. Trotz aller Probleme, die er jenseits der Filmarbeit hatte, hat seine Darstellung nie darunter gelitten.

Wir waren uns das erste Mal bei einem Fotoshooting begegnet, das ich mit ihm im Jahr 2011 für die Vogue machte. Während seine Hose in einem angrenzenden Hotelzimmer genäht wurde, nutzten wir die Zeit, um über den Film und seine Rolle zu sprechen: Obwohl er in seiner Unterwäsche da saß, war die Absurdität der Situation kein Thema, mit seiner Arbeit war es ihm vollkommen ernst.

Bei den Dreharbeiten gab es anfangs eine gewisse Spannung zwischen uns, die ich meiner Unerfahrenheit als Regisseur zuschreibe und das es mir nicht gelang, in Worten auszudrücken, was ich von Schauspielern erwarte – in einer Art und Weise, wie sie es gewohnt sind. Aber nach und nach gelangten Phil und ich dahin, dass der Film organisch zu fließen begann und er keinerlei Anweisungen mehr benötigte; er ging vollkommen in der Rolle von Günther Bachmann auf. Er unterschrieb sogar eine E-Mail mit Günther, die er mir schickte, als er nach dem Ende der Dreharbeiten wieder zu Hause war.

Seine Figur führte ein Team von jungen Ermittlern an, darunter Nina Hoss und Daniel Brühl, und während des Drehs in den Stunden am Abend, entwickelte er sich zu so etwas wie ihrem Mentor. Er beschützte sie und stand ihnen als Schauspieler mit Rat und Ermutigung zur Seite. Zu Schauspielern dagegen, für die er als Figur im Film keine Zeit hatte, blieb er auf Distanz. Nachts tauschten wir E-Mails aus, die Szenen betrafen, die noch gedreht werden mussten und versicherten uns gegenseitig, dass die Richtung stimmte.

Er hatte ein genaues Gespür sowohl für seine Figur wie den Film als Ganzes. Und es war fantastisch, das mit ihm zu teilen. Am Ende entdeckten wir viele Gemeinsamkeiten, eine davon war unser Musikgeschmack. Ich fertigte ein Demo an von Songs, die ich im Film verwenden wollte, das schätzte er sehr, besonders Tom Waits' Song „Hoist that Rag“, den er selber gerade erst entdeckt hatte.

Im Spätsommer trafen Phil und ich uns gemeinsam mit unseren Frauen Mimi und Nimi zu einem Abendessen, dabei erwies er sich als gut aufgelegt und als ein wunderbarer Umgang. Er war ein Riese von einem Mann, und sein Tod ist nicht nur ein unermesslicher Verlust für die Welt und für alle Liebhaber großer Kunst, sondern auch menschlich gesehen. Er war 200% menschlich, mit all den Selbstzweifeln und inneren Kämpfen, die damit verbunden sind. Genau daraus entsteht große Kunst, denke ich.

Es ist unwahrscheinlich, dass ich ihm mit diesen Zeilen gerecht werden kann. Ich denke aber, dass es mir mit dem Film gelungen ist, den wir zusammen gemacht haben in dem er herausragend ist und all unsere Aufmerksamkeit verdient. Ich weiß, dass er besonders stolz darauf war und wir sprachen darüber, erneut miteinander zu arbeiten, als wir uns vor zwei Wochen trafen. Er sagte: »Ich hoffe, wir können das noch einmal bei einem anderen Film machen. Wir wissen jetzt mehr und ich habe das Gefühl, wir ergeben ein gutes Team, das unerschütterlich ist - und das ist aufregend.«

Dazu wird es jedoch nun nicht mehr kommen, was das Ende unseres Films noch schmerzhafter macht.“

Dieser Text erschien am 3. Februar 2014 in der britischen Tageszeitung „The Guardian“, einen Tag nach dem Ableben des Schauspielers in New York City.

A most wanted Man wurde im Januar auf dem Sundance Film Festival uraufgeführt, ebenso wie Hoffmans mitproduziertes Milljöhstück God's Pocket, worin er einen Loser in der betitelten Nachbarschaft von Südphiladelphia (real: „Devil's Pocket“) spielt. Warten wir nun mit Spannung auf seinen letzten Auftritt als Plutarch Heavensbee in dem zweiteiligen Trilogieabschluss von Die Tribute von Panem - Mockingjay, dessen erster Teil am 20. November 2014 in die Kinos kommt... ■ mz

10. September 2014
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OT: A most wanted Man
Drama/Thriller
GB/D 2014
122 min


mit

Philip Seymour Hoffman (Günther Bachmann) Oliver Stritzel
Rachel McAdams (Annabel Richter)
Willem Dafoe (Tommy Brue)
Robin Wright (Martha Sullivan)
Grigoriy Dobrygin (Issa Karpow)
Nina Hoss (Irna Frey) Nina Hoss
Daniel Brühl (Maximilian) Daniel Brühl
Vicky Krieps (Niki)
Kostja Ullmann (Rasheed)
Franz Hartwig (Karl)
Homayoun Ershadi (Abdullah)
Mehdi Dehbi (Jamal) Imtiaz Haque
Rainer Bock (Dieter Mohr)
Herbert Grönemeyer (Michael Axelrod)
u.a.

drehbuch
Andrew Bovell
nach dem Roman von John le Carré

musik
Herbert Grönemeyer

kamera
Benoît Delhomme

regie
Anton Corbijn

produktion
The Ink Factory
Potboiler Productions
Amusement Park Films
Demarest Films
Film4
Senator Film Produktion
Senator Film

verleih
Senator Film

Kinostart: 11. September 2014