Wir kaufen einen Zoo
© 20th Century Fox
2006 ließ Benjamin Mee, ein britischer Heimwerker-Kolumnist bei der Zeitung The Guardian, sein entspanntes Leben in Südfrankreich hinter sich und zog nach England aufs Land, in den heruntergekommenen Dartmoor Zoo in der Grafschaft Devon. Im Schlepptau hatte er dabei seine Ehefrau Katherine, seine Mutter, seinen Bruder Duncan und seine beiden kleinen Kinder Ella und Milo. »Mehr oder weniger zufällig kaufte unsere Familie damals einen Zoo. Dabei suchten wir eigentlich nur ein großes Haus, in dem meine Mutter nach dem Tod meines Vaters mit ihrer erweiterten Familie leben konnte«, erinnert sich Mee.
»Der Makler legte uns die unterschiedlichsten Angebote vor, und dieses sah auf den ersten Blick perfekt aus«, fährt er fort. »Ein etwas in die Jahre gekommenes Haus mit 12 Zimmern und einem riesigen Garten, in einer wirklich schönen Gegend. Genau das, was wir suchten, nur eben mit 250 exotischen Tieren auf dem Grundstück. Vor uns lagen also diese Prospekte mit jeder Menge Bildern von Küche, Bad und den Schlafzimmern, aber es gab eben auch dutzende Tiergehege.
Erst mussten wir lachen, aber dann fuhren wir für eine Besichtigung trotzdem hin. Wir waren immer schon große Tierliebhaber und verliebten uns sofort in diese Anlage. Deswegen mussten wir das Grundstück einfach kaufen. Ohne Käufer hätte der Zoo für immer schließen müssen, was bedeutet hätte, dass mindestens die Hälfte der Tiere getötet worden wäre. Es ist nämlich ziemlich kompliziert, für Zootiere ein neues Zuhause zu finden, vor allem so kurzfristig. So war also sofort unser Einsatz gefragt und wir setzten alle Hebel in Bewegung, um uns dieser Aufgabe zu stellen. Und sobald der Kauf unter Dach und Fach war, taten wir alles dafür, den Zoo wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.«
Nur wenige Monate, nachdem die Familie den Zoo gekauft hatte und umgezogen war, wurde allerdings Benjamins Ehefrau Katherine, deren Krebsleiden eigentlich als überwunden galt, wieder krank und starb schließlich im Alter von 40 Jahren. Drei Monate später eröffnete Mee den Zoo.
Die bevorstehende Wiedereröffnung des Zoos war für Mee und seine Familie eine gute Gelegenheit, sich von ihrer Trauer abzulenken, wie er selbst berichtet: »Es hatte eine sehr kathartische Wirkung, dass wir jeden Tag so eng mit diesen Tieren arbeiteten, deren Überleben von uns abhing. So sehr wir als Familie uns mit dem Tod auseinandersetzen mussten, konnten wir doch immer aus dem Fenster blicken und sahen dort, wie das Leben weitergeht. Jeden Tag waren da die Pfleger, um sich um die Tiere zu kümmern und sie zu füttern. Selten wird der Kreis des Lebens so greifbar. Für uns war das die beste Situation, um über unseren Verlust hinwegzukommen.«
Für die Hollywoodproduktion musste natürlich die Geschichte in die USA verlegt und die Timeline für das Drama zurechtgeschnipselt werden. Hinzu kam die angedeutete Romanze mit der Tierpflegerin - fertig ist der zuckersüße Familienfilm. Doch Klischee hin oder her - Regisseur Cameron Crowe schafft es, aus dem Schinken tatsächlich ein unterhaltsames Unterfangen zu gestalten, nicht zuletzt durch die schrägen Nebenfiguren im Film. Matt Damon konnte nach seinen Actioneskapaden mal wieder sein Heulgesicht rauskramen und mit Scarlett Johansson anbandeln, obwohl die professionelle Spannung der beiden Filmcharaktere zunächst eher hinderlich wirkt.
Vor dem Beginn seines neuen Lebens im Zoo war Damons Benjamin Mee ein abenteuerlustiger Reporter, der im Laufe seiner Karriere nicht nur den venezuelanischen Staatspräsidenten Hugo Chavéz interviewte, sondern auch ins Auge eines Hurrikans flog und sich von tausenden Killerbienen umschwirren ließ. Doch in den ersten Szenen des Films erleben wir Benjamin, wie er durchaus ins Straucheln gerät beim Versuch, seine beiden Kinder im Alter von 7 und 14 Jahren großzuziehen.
»Benjamin entscheidet, dass die Familie einen Neubeginn braucht, deswegen macht er sich auf die Suche nach einem neuen Zuhause. Und tatsächlich findet er dieses wunderschöne Grundstück, ganz so als sei es Schicksal«, erzählt Damon. »Dann allerdings entdeckt die Familie, dass zu dem neuen Haus ein ganzer Zoo gehört. Von so etwas hat Benjamin natürlich nicht die geringste Ahnung, aber weil auch seine verstorbene Frau jedes Abenteuer zu schätzen wusste, entscheidet er sich, den Zoo tatsächlich zu kaufen.«
Bei ihrer Ankunft in ihrem neuen Zuhause treffen Benjamin und seine Familie auf die Tierwärterin Kelly Foster, die von Scarlett Johansson gespielt wird. Kelly ist eine sehr bodenständige und pragmatische Tierliebhaberin und für alle Mitglieder des Zoo-Teams so etwas wie die Stimme der Vernunft. »Kelly ist eine unglaublich praktische und freundliche Person, die ihre Tiere wirklich liebt«, beschreibt Johansson. »Sie nimmt die Dinge selbst in die Hand – und das meist sehr erfolgreich. Bei ihr bleibt nichts liegen. Der Zoo und die Tiere sind ihr Leben.«
Von McKennas und Crowes Drehbuch war Johansson nach eigener Aussage sofort begeistert: »Die Dialoge waren einfach unglaublich gut und nachvollziehbar. Außerdem fand ich die Geschichte ungewöhnlich, denn sie hatte fast etwas Altmodisches. Der Film handelt von Familie, davon seine Leidenschaft zu finden, an sich selbst zu glauben und seine Ängste zu überwinden. Er ist sehr real und authentisch. In dieser Wahrhaftigkeit erinnert er an einige der klassischen Filme der Siebziger Jahre.«
Die Dynamik zwischen Benjamin und Kelly ist eine der großen Überraschungen des Films, wie Damon findet: »Normalerweise würde man erwarten, dass die beiden zusammenkommen und der Film sich auf die Liebesgeschichte konzentriert, aber das ist nicht der Fall. Zunächst einmal geht es um zwei Menschen, die beide diesen Zoo lieben. Aus dieser gemeinsamen Leidenschaft entwickelt sich zwischen ihnen eine Freundschaft und Nähe. Und erst dann steht irgendwann zwischen ihnen etwas sehr Wahrhaftiges im Raum, das sich am Ende des Films womöglich noch zu mehr entwickelt.«
Wir kaufen einen Zoo bedeutet für Cameron Crowe auch ein Wiedersehen mit dem Schauspieler Patrick Fugit, der damals als Crowes Alter Ego und jugendlicher Musikjournalist William Miller in seinem semi-autobiografischem Film Almost Famous – Fast berühmt sein Schauspieldebüt gegeben hatte. Zwar waren die beiden anschließend in Kontakt geblieben, erzählt der damals 16- und inzwischen 29-jährige, doch es war schon ein paar Jahre her, seit sie sich gesprochen hatten.
Fugit spielt Robin Jones, einen der Tierpfleger, der nebenbei auch der Handwerker des Zoos ist. Jones' ständiger Begleiter ist ein Kapuzineräffchen namens Crystal, das die meiste Zeit über auf seiner Schulter sitzt. »Schon als Cameron und ich uns das erste Mal über die Rolle unterhielten, hatte er die Idee, dass Robin einen Kapuzineraffen haben könnte«, erinnert sich Fugit. »Während der Proben traf ich dann Crystal und ihren Trainer Thomas Gunderson. Wir hatten schnell einen Draht zueinander und wirkten, als würden wir schon seit Ewigkeiten miteinander herumhängen.«
Elle Fanning, die zuletzt in einer der Hauptrollen von J.J. Abrams erfolgreichem Science-Fiction-Film Super 8 zu sehen war, spielt Kellys lebhafte Cousine Lily Miska, ein hübsches junges Mädchen, das mit im Zoo lebt und dort nicht nur im Restaurant aushilft. Als die Mees ihr neues Haus beziehen, beginnt Lily schnell, sich für Benjamins Sohn Dylan zu interessieren.
»Lily lebt in ihrer eigenen Welt«, beschreibt Fanning, die während der Dreharbeiten ihren 13. Geburtstag feierte, ihre Rolle. »Sie war ihr Leben lang vor allem von Tieren umgeben, deswegen weiß sie nicht immer genau, wie man eigentlich mit Menschen umgeht. Dylan ist für sie irgendwie eine exotische Kreatur. Mit einem Mal fängt sie an, Make-up zu tragen, versucht mit ihm zu flirten und setzt alles daran, ihn zu beeindrucken. Aber weil sie noch nie vorher in einen Jungen verknallt war, weiß sie nicht genau, was sie da eigentlich tut.«
Irgendwann werden Lilys Gefühle erwidert, doch nun ist es Dylan, der verwirrt ist, denn auch für ihn ist es die erste Erfahrung in Sachen Liebe. In der Darstellung dieser aufkeimenden jungen Liebe zieht Crowe Parallelen zu der ersten Begegnung von Benjamin und seiner späteren Ehefrau Katherine, bei der „20 Sekunden Mut“ sein Leben für immer veränderten.
Benjamins Hauptgegenspieler ist Walter Ferris, der herablassende Zoo-Kontrolleur. Gespielt wird er von John Michael Higgins, der unter anderem aus den Kult-Mockumentaries Best in Show, For Your Consideration – Es lebe Hollywood als auch als Richter oder Anwalt in diversen TV-Serien bekannt ist. Von seiner Zustimmung hängt alles ab, denn wenn Ferris nach seiner Inspektion kein grünes Licht gibt, kann der Zoo nicht pünktlich zur Sommer- und Touristensaison wiedereröffnen. »Kurioserweise ist Ferris zwar hier der Widersacher, aber einer mit einem großen Herz für Tiere«, erklärt Higgins seine Figur. »Der einzige Grund, weswegen er Mee so viele Steine in den Weg legt, ist das Wohlergehen der Tiere, die ihm wirklich wichtig sind.«
Peter MacCready, der ebenso visionäre wie leidenschaftliche Architekt der Zoogehege, wird vom schottischen Schauspieler Angus MacFayden gespielt, der nicht zuletzt aus Mel Gibsons Oscar®-Gewinner Braveheart bekannt ist. Erst als er in der Rolle besetzt wurde, bekam seine Figur ihren Namen verpasst. Als Cameron Crowe MacFayden erstmals in seinem Kostüm sah, trug er einen Overall und erinnerte den Regisseur sofort an Pete Townsend. So kam es zum Vornamen Peter. Der Nachname MacCready ist derweil eine Hommage an Mike McCready, den Gitarristen der Rockband Pearl Jam, über die Crowe kurz vorher einen Dokumentarfilm gedreht hatte.
Gedreht wurde der Film zunächst an einigen Orten in Los Angeles, bevor die Produktion 30 Meilen nach Norden zog. Dort wurde auf der Greenfield Ranch in Thousand Oaks der Rosemoor Animal Park errichtet. Zum dortigen Set gehörten Tiergehege, Gehwege, Wasseranlagen, ein Überwachungsturm, ein Skulpturengarten, ein Amphitheater und jede Menge Flora und Fauna. Insgesamt dauerte es 9 Monate, den Rosemoor Animal Park zu entwerfen und zu errichten. Vier Monate wurde allein für die Konstruktion benötigt, an der über 140 Tischler, Maler, Requisiteure, Stuckateure, Bildhauer, Schildermacher und Landschaftsgärtner sowie natürlich alle Art Directors, Setdesigner und Set-Dekorateure des Art Departments beteiligt waren.
Auf dem weitläufigen Gelände den idealen Platz für den gut 80.000 Quadratmeter großen Zoo zu finden, war eine echte Herausforderung. Vor der Ankunft des Filmteams gab es noch nicht einmal einen Weg zum späteren Standort, sondern lediglich »anderthalb Meter hohes Gras und Klapperschlangen«, wie sich Produktionsdesigner Clay Griffith erinnert. Doch aus einer bestimmten Perspektive sah das Gelände aus wie der Dartmoor Zoo, den der echte Benjamin Mee in England gekauft hatte.
Als Griffith und die Art Directors damit begannen, den Zoo zu entwerfen, trafen sie sich auch mit dem Tierkoordinator Mark Forbes, um gemeinsam die jeweilige Lage der Gehege festzulegen. »Platziert die Tiger nicht neben den Bären«, erinnert sich der Produktionsdesigner an Forbes' Ratschläge. »Die Tiger und die Löwen dürfen sich nicht sehen. Und vor allem dürfen weder die Tiger noch die Löwen noch die Bären irgendwelche Huftiere in ihrem Blickfeld haben...Aber nach unglaublich langwierigem Hin- und Hergeschiebe ging letzten Endes doch alles ganz gut auf.«
Musik spielt in Cameron Crowes Schaffensprozess eine bedeutende Rolle, sowohl beim Schreiben des Drehbuchs als auch während der Proben, am Filmset und nicht zuletzt natürlich, wenn es um die Fertigstellung mitsamt der musikalischen Untermalung geht. Er setzt Musik ein, um seine Schauspieler in eine bestimmte Stimmung zu versetzen, aber auch um dem Rest der Crew die Atmosphäre verständlich zu machen, die er im Sinn hat.
Während der Produktion kamen dabei Songs von so unterschiedlichen Künstlern wie Pearl Jam, Eddie Vedder, Neil Young, Led Zeppelin, Tom Petty, Simon and Garfunkel, Leon Russell, Warren Zevon, Kanye West, Bon Iver, Daniel Lanois, Joni Mitchell, U2 oder auch Jónsi zum Einsatz. Der Sänger der bekannten isländischen Band Sigur Rós war es dann, der letztlich auch den Score des Films komponierte.
»Jónsi reiste aus Island mit einem Spielzeugkeyboard und einem Kopf voller Ideen an«, berichtet Crowe. »Schon nach gerade einmal einer Woche hatte er eine ganze Reihe von Melodien komponiert, die genau unsere Erwartungen erfüllten. Seine Musik umfasste all die emotionalen Höhen und Tiefen und Momenten dazwischen, von denen unser Film erzählt. Dank seines hervorragenden Instinkts wurde der Film erst wirklich zu einer runden Sache.«
»Was ich an dem Film besonders liebe ist die Tatsache, wie sehr er den Zuschauer packt, noch bevor der es so richtig begriffen hat«, sagt Crowe abschließend mit Blick auf den fertigen Film. »Er erzählt eine Geschichte, die sehr viel tiefgründiger ist, als man es anfangs vielleicht erwartet, und richtig unter die Haut geht. Er hat viel mehr zu bieten als das, womit man zunächst rechnet, so wie es viele meiner Lieblingsfilme tun. Ich wünsche mir, dass man aus dem Kino kommt und schon weiß, dass man diese Figuren vermissen wird.«
Nun ja, so richtig vermissen tut man sie nicht wirklich. Auch ist der Film mit guten zwei Stunden Länge ein wenig zu lang, um die Aufmerksamkeitsspanne von Kindern aufrecht zu erhalten. Und warum man den Titel nicht wie im Original „Wir haben einen Zoo gekauft“ genannt hat, bleibt, wie immer, ein Rätsel. Es ist eine niedliche Geschichte, die jedoch vielleicht in Mees Heimat noch niedlicher mit Ewan McGregor und Emily Blunt hätte verfilmt werden können. Aber die beiden sind ja diesen Monat auch noch im Kino zu bewundern. Dazu aber an anderer Stelle mehr... ■ mz