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Unbeugsam - Defiance - Die Geschichte der Bielskis

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Unbeugsam - Defiance

Die Geschichte der Bielski-Brüder und jener Siedlung, die sie in den dunklen, winterlichen Wäldern Weißrusslands gründeten, ist eine der faszinierendsten Episoden der jüngeren Geschichte - und trotzdem nahezu unbekannt. Erstmals sprach sie sich, wenn auch nur kurz, gegen Kriegsende im Jahr 1944 herum. Damals bot sich der nichtjüdischen örtlichen Bevölkerung plötzlich ein überraschender, beinahe surrealer Anblick, als mehr als 1200 Juden aus den tiefen Wäldern heraus traten. Zunächst glaubten die Bewohner, es handelte sich um Geister. Denn wie hätte es diesen vergleichsweise wenigen Juden gelingen sollen zu überleben, wo doch viele Tausende von ihnen in die Konzentrationslager geschickt worden waren?

Bruchstückhaft verbreitete sich die Geschichte, durchsetzt von Gerüchten und Gerede. In Zeiten, als der Antisemitismus zunahm, wuchsen die Bielski-Brüder auf dem elterlichen Bauernhof in Stankevich auf - einer Gegend, die heute zu Weißrussland gehört, vor dem Zweiten Weltkrieg aber unter sowjetischer Herrschaft stand. Die Brüder waren athletische, charismatische Burschen, und sie galten als rauflustige Rebellen mit einer gesunden Abneigung gegen jede Autorität. Nachdem die Nazis im Juni 1941 einmarschiert und das Land mit massiven Angriffen aus der Luft und zu Boden besiegt hatten, erkannte man schnell, dass die Bielski-Brüder potentielle Unruhestifter waren. Sowohl die SS als auch die örtliche Polizei nahmen sie ins Visier.

Innerhalb kürzester Zeit ereigneten sich mehrere Tragödien: Die Eltern der Bielski-Brüder und zahlreiche Verwandte, darunter Tuvias kleine Tochter und seine Frau, starben bei Massenexekutionen von mehr als 4000 Juden im Ghetto von Novogrudok. Die Brüder konnten ihre nackte Haut retten, indem sie in den nahe gelegenen Wald flüchteten - ein riesiges, dicht bewachsenes Areal, das sie seit ihrer Kindheit kannten. Dort versteckten sie sich vor ihren Verfolgern und bildeten eine Partisanengruppe, die entschlossen gegen die Nazi-Besatzer und ihre Kollaborateure kämpfte. Was als reiner Überlebenskampf und Rachefeldzug begann, entwickelte sich jedoch schnell zu etwas, das die ursprüngliche Zielsetzung bei weitem übertraf: zur Aufgabe, so viele Juden wie möglich zu retten, junge und alte, reiche und arme. Unter Tuvias Führung wurde diese Mission erfolgreicher als in ihren kühnsten Träumen.

Nach einer Weile wagten es die Bielskis sogar, in die Ghettos zurückzukehren. Sie verhalfen den Juden, die dort hilflos auf ihre Deportation und den sicheren Tod im Konzentrationslager warteten, zur Flucht. Nachdem sie monatelang von einer Sekunde zur anderen ihre Sachen packen mussten, um sich andernorts in Sicherheit zu bringen, errichteten sie schließlich eine Siedlung im Wald von Naliboki, lebten in Erdbunkern (sogenannten Ziemlankas) und bauten dort ein Krankenhaus, eine Mühle, eine Metallwerkstatt, eine Bäckerei, ein Badehaus, ja sogar ein Theater und eine Synagoge. Trotz des Grauens, das sie umgab, nannten die Bewohner ihre Siedlung „Jerusalem im Wald“, weil es darin so vital und betriebsam zuging.

Die Kunde von ihrem Triumph breitete sich aus, und die Zahl der Bewohner nahm ständig zu. Schließlich lebten Flüchtlinge aus allen Lebensbereichen im Wald: Ärzte und Anwälte, Bauern und Zimmerleute, Frauen und Männer, und alle arbeiteten und kämpften gleichberechtigt nebeneinander. Obwohl die Not immer größer wurde (sie litten an Hunger und ansteckenden Krankheiten, wurden von feindlichen Patrouillen und interner Zwietracht bedroht), versuchten sie, ein weitgehend normales Leben zu führen und sich ihre Hoffnung und ihre Menschlichkeit zu bewahren. Kinder gingen zur Schule, Paare verliebten sich und heirateten, Junge und Alte leisteten im Rahmen des Möglichen ihren Beitrag. Auf diesem Wege entstand eine verschworene Gemeinschaft.

Unterdessen setzten die Nazis hohe Kopfgelder auf die Brüder aus. Damit wollten sie verhindern, dass ihr fast schon legendärer Ruf weiter zu jenen drang, die sich verzweifelt an jede Hoffnung klammerten. Dennoch: Die Siedlung im Wald prosperierte. Unentbehrlich dafür waren die Kämpfer, eine behelfsmäßige Partisanen-Truppe, die die Gemeinschaft schonungslos verteidigte und feindliche Dörfer plünderte, um an Lebensmittel, Vorräte und Waffen zu gelangen, ohne die sie verloren gewesen wären. Dabei gingen sie ebenso extrem und todbringend wie effektiv zur Sache.

Die Bielski-Gruppe – unter den Partisanen, die sich im Naliboki-Wald versteckten, als „Bielski Otriade“ bekannt – entwickelte sich nicht nur zur größten jüdischen Partisanengruppe in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Sie fügte den Deutschen auch größere Verluste zu und rettete mehr Juden als jede andere Gruppe. Schätzungen zufolge gab es mehr als 20.000 Juden, die sich in ganz Osteuropa in Partisanengruppen organisierten, und obwohl etliche Gruppierungen in den Wäldern überlebten, darunter die Zhukov- und Zorin-Otriaden, waren diese deutlich kleiner als die Bielski-Otriade.

Als der Krieg endete, wäre die Geschichte der Bielski-Brüder beinahe für immer in Vergessenheit geraten. Tuvia und Zus emigrierten zunächst nach Israel, später nach New York. Dort arbeiteten sie als Taxi- und LKW-Fahrer und führten das unauffällige Leben von Durchschnittsamerikanern. Nur zögerlich sprachen sie über die Vergangenheit, selbst mit ihren Kindern - dafür begannen andere Überlebende von jenen Menschen zu berichten, die sie gerettet hatten. »Ohne die Bielskis«, sagte Sulia Rubin im Jahr 2000 zu einem Journalisten der New York Times, »hätte ich nicht überlebt. Waren Sie vollkommen? Nein, alle Menschen machen Fehler. Aber sie gehören zu mir, sie sind meine Familie, ich liebe sie.«

Erst nach Tuvias Tod im Jahr 1987 beschäftigten sich Forscher mit der Geschichte. Die wohl bekannteste ist Dr. Nechama Tec, emeritierte Soziologieprofessorin an der University of Connecticut, die 1993 das preisgekrönte Buch „Defiance: The Bielski Partisans“ veröffentlichte. Ihre Interviews mit den Überlebenden boten erstmals einen wirklichen Einblick in ihre bemerkenswerten Erfahrungen. Die Los Angeles Times nannte Tecs Buch „eines der erhebendsten, inspirierendsten Kapitel in der Holocaustchronik von Tod und Verzweiflung.“

Nachdem der Drehbuchautor Clayton Frohman Tecs Buch gelesen hatte, erschien es ihm unbegreiflich, wieso diese Geschichte eines erbitterten, mutigen jüdischen Widerstands nicht bekannter war. Die Menschen hatten zwar vom erfolglosen Aufstand im Warschauer Ghetto gehört oder von nichtjüdischen Rettern wie Oskar Schindler. Doch Informationen über jüdischen Widerstand gab es so gut wie keine.

»Ich bin jüdisch erzogen worden, habe viel über den Holocaust gelesen, und mein Vater kämpfte als US-Soldat im Zweiten Weltkrieg. Deshalb war ich der Meinung, dass ich die meisten interessanten Geschichten aus jener Zeit schon kannte. Aber ich hatte noch nie etwas von den Bielskis gehört«, erinnert sich Frohman.

»Ich wusste sofort, dass dies eine Geschichte ist, die unbedingt erzählt werden muss, weil sie von Menschen handelt, die sich nicht unterwarfen, sondern zurückschlugen. Mein Leben lang hatte ich nur von Juden gehört, die Opfer waren: hilflos, resigniert, verdammt. Irgendwie war das ganz im Sinne der Nazis - dass wir Juden nur als Opfer sehen. Und um ein Haar hätten sie damit Erfolg gehabt. Für mich ist dieser Film so wichtig, weil er einen Teil der ganz großen Geschichte erzählt, der beinahe für immer verloren gewesen wäre.«

Als sie gemeinsam ein Spiel der Dodgers besuchten, gab Frohman Nechama Tecs Buch an seinen Freund Edward Zwick weiter. »Als Regisseur gelingt es Ed, Sensibles mit epischem Kino zu verbinden, tiefgründige Charakterstudien mit der großen Spannung von lebensgefährlichen Ereignissen zu verknüpfen. Für uns bot sich mit diesem Film die Chance, jene Art von epischem Actiondrama zu drehen, die heute kaum noch gemacht wird.«

Edward Zwick genügte eine einzige Lektüre, um Frohmans Leidenschaft für die Geschichte nachzuvollziehen. Er nahm sich vor, alles in seiner Macht stehende zu tun, um diese Geschichte auf die Leinwand zu bringen. Somit begann eine Zusammenarbeit, die länger als zehn Jahre währen sollte, ehe der fertige Film den Weg ins Kino fand. »Eines der größten menschlichen Bedürfnisse besteht doch darin, Zeugnis abzulegen und Erinnerung lebendig zu halten«, sagt er.

»Mit Defiance wollte ich einen opulenten, aufregenden Unterhaltungsfilm drehen, fühlte mich aber auch denjenigen gegenüber verpflichtet, die diese Geschichte erlebt hatten. Es ist ja nicht nur eine aufregende Story. Aus ihr ergeben sich viele Fragen, und sie regt den Zuschauer zum Nachdenken darüber an, wie er sich selbst in jenen Tagen verhalten hätte. Außerdem hilft sie zu begreifen, welche Bedeutung diese Geschichte heute noch hat. Leider ist es so, dass wir auch gegenwärtig noch, zum Beispiel in Bosnien oder Darfur, Zeugen grausamer Völkermorde werden.« ■ Quelle: Constantin Film

Kriegsfilm/Drama
USA 2008
137 min


mit
Daniel Craig (Tuvia Bielski) Dietmar Wunder
Liev Schreiber (Zusja Bielski) Marco Kröger
Jamie Bell (Asael Bielski) Tobias Nath
Alexa Davalos (Lilka Ticktin) Sarah Riedel
Allan Corduner (Shimon Haretz) Otto Mellies
Mark Feuerstein (Isaac Malbin) Alexander Doering
George MacKay (Aron Bielski)
Tomas Arana (Ben Sion Gulkowitz) Oliver Siebeck
Iben Hjejle (Bella) Sabine Arnhold
Mia Wasikowska (Chaya Dziencielsky) Luisa Wietzorek
Sam Spruell (Arkady Lubczanski) Michael Iwannek
Jodhi May (Tamara Skidelsky) Victoria Sturm
u.a.

drehbuch
Clayton Frohman
Edward Zwick
nach dem Sachbuch „Bewaffneter Widerstand“ von Nechama Tec

musik
James Newton Howard

kamera
Eduardo Serra

regie
Edward Zwick

produktion
Bedford Falls Company
Grosvenor Park Productions
Pistachio Pictures

verleih
Constantin

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